Alles kam ganz anders
ich.
„Das tust du gefälligst nicht, du sollst schlafen. Du siehst wahnsinnig müde aus.“
„Ich bin auch müde“, gestand ich.
„Dann hops ins Bett. Nur noch eins. Elaine: du hast eine schwere Zeit vor dir. bis ihr eine Hilfe kriegt, und es ist mir klar, daß es für dich schrecklich ist, daß du lange nicht zur Schule kannst, ich kenne ja deine Zukunftspläne. Aber du darfst nicht immer daran denken. Du mußt dich hundertprozentig für deine Aufgaben hier zu Hause einsetzen. Später solltest du eben Nachhilfestunden kriegen, damit du das Versäumte nachholst. Der Gedanke an die Schule darf dich nicht nervös und schlaflos und kribbelig machen. Begreifst du das?“
„Ja. ich begreife es. Weißt du, Jessica, du bist eigentlich ein Goldstück!“
Die beiden nächsten Tage waren nicht so schlimm, denn Jessica nahm mir enorm viel ab im Haushalt. Was sie mir aber ganz und gar überließ, war die Pflege meiner armen Mutter. Daran sollte ich mich gewöhnen, ich mußte sofort den richtigen Dreh finden – meinte Jessica!
Also hieß es wieder waschen und „Intimpflege“ machen und dann Zähne putzen. Das – war das schwierigste. Zuletzt holte ich zum Mundspülen einen Trinkhalm, dann ging es einigermaßen. Aber als ich die Zahnputzsachen in den Schrank einräumte, seufzte ich: „Ach, Mamachen, wieviel einfacher wäre es gewesen, wenn du eine Zahnprothese gehabt hättest!“
Da mußte Mama lachen.
„Vielen Dank, ich bin trotz allem froh, daß ich meine eigenen, gesunden Zähne habe! Merkwürdig, was eine sonst so liebevolle Tochter einem alles wünschen kann!“
Jessica machte das Frühstück. Als wir am Tisch saßen, zeigte es sich, daß sie Mamas Lieblingsmarmelade vergessen hatte, und sie lief in die Küche. Von dort rief sie: „Elaine, wo steht bloß diese verflixte Marmelade?“
Ich war gerade dabei, Mama Butterbrotstücke in den Mund zu stecken. Ich unterbrach diese interessante Arbeit und ging in die Küche, wo Jessica und ich sowohl die Marmelade als auch das Honigglas ausfindig machten.
Als wir zurück zum Frühstückstisch kamen, hatte Marcus meinen Platz eingenommen. Da saß er nun, tief ernst und konzentriert und fütterte seine Mutter, mit einem Stück nach dem anderen.
Ich machte auf der Schwelle kehrt und rannte nach dem Fotoapparat.
Marcus sah so süß aus, die ganze Situation war so einmalig, daß sie festgehalten werden mußte!
Und mein Bruder war von seiner wichtigen Aufgabe so in Anspruch genommen, daß er kaum den Blitz bemerkte!
„Du kannst ruhig jetzt zum Kaufmann gehen, Elaine“, beschloß Jessica. „Jetzt bin ich ja hier, aber ab Montag mußt du die Einkäufe nachmittags machen, und Marcus sollte solange zu Hause bleiben.
Deine Mutter darf keine Minute allein im Hause sein.“
„Aber Jessica, ich bin doch…“, fing Mama an.
„Stimmt, du bist zur Zeit körperbehindert. Sei bloß froh und dankbar, daß wir dich nicht in einen Rollstuhl stecken. Und ihr beide“, sie sah Marcus und mich sehr streng an. „ihr versprecht auf Ehrenwort, eure Mutter nie allein zu lassen, solange sie ihren Gips trägt!“
„Ehrenwort“, sagte Marcus. „Aber jetzt muß ich zur Schule.“ Du liebe Zeit! Marcus’ Schulbrote! Die hatten wir alle vergessen.
„Marcus, ich komme in der großen Pause und bringe dir die Brote – komm zum Tor. damit du mich gleich siehst.“
„Vier Scheiben! Mit Wurst!“ rief Marcus, und die Tür schlug hinter ihm zu.
Jessica hatte seinerzeit ihr Medizinstudium wegen Geldmangels unterbrochen und ein Jahr als Hausgehilfin gearbeitet. Wahrscheinlich waren es ihre Erfahrungen von damals, die mir jetzt zugute kamen. Sie lehrte mich, einen Plan für die Arbeit zu machen, immer morgens Kühlschrank und Vorräte zu untersuchen, damit ich genau wußte, was ich noch holen mußte. Und dann die Arbeiten so zu planen, daß die eine die andere ablöst, daß ich nicht leere Wartezeiten hatte.
„Das Bettzeug gleich nach dem Aufstehen zum Lüften hinlegen, dann kannst du sofort nach dem Frühstück die Betten machen“, erklärte sie. „Kocht ihr jeden Tag Tierfutter? Gut, das setzt du vor dem Frühstück auf. dann ist es fertig, wenn ihr gegessen habt. Wenn du einen Nachtisch machst, der abkühlen, womöglich steif werden soll, dann tu das sofort, wenn du die Viecher versorgt hast. Die vergißt du nicht, das weiß ich! Überhaupt. Elaine, alles was du schon frühmorgens erledigen kannst – besorge das! Nichts aufschieben!“
„Wenn ich mich ganz bescheiden
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