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Alles kam ganz anders

Alles kam ganz anders

Titel: Alles kam ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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das mitmachen würde… wenn ich Mathematik- und Lateinunterricht sozusagen frei Haus bekäme, dann würde ich vielleicht… vielleicht…
    Antje war wirklich eine wahre Freundin in der Not. Ich rief sie an und bedankte mich, und sie informierte mich kurz über den nächsten deutschen Aufsatz, und wieviel wir in Geschichte und Englisch aufhatten.
    Ja. vielleicht, vielleicht würde ich es per Fernunterricht schaffen!
    Nicht an die Schule denken, hatte Jessica gesagt.
    Leichter gesagt als getan!

Mama und ich
     
     
    Ich war redlich müde.
    Ein erwachsener, erfahrener Mensch hätte natürlich viel besser all die Aufgaben bewältigt, die ich jetzt erledigen mußte. Aber ich war unerfahren, ich hatte meine Schule gehabt, mein Reiten. Lesen, Ausflüge und anderes. Ich hatte nie darüber nachgedacht, wieviel Arbeit hinter der frisch gemangelten Bettwäsche steckte, was alles erledigt werden mußte, bevor aus den Falläpfeln im Garten ein delikates Gelee entstand. Ich hatte mir keine Gedanken darüber gemacht, wie es kam. daß die Zimmer blitzblank waren, daß manchmal frischgewaschene Gardinen vor den Fenstern hingen, daß die Zimmerpflanzen gediehen, daß immer etwas in unseren Kuchendosen war.
    Langsam wurde mir klar, was eine Hausfrau im Grunde leistet. Und alles so selbstverständlich, ohne ein Wort darüber zu verlieren! Natürlich konnte Mama schimpfen, wenn Marcus mit seinen dreckigen Gummistiefeln über den frisch gesaugten Teppich lief, und wie gut konnte ich es jetzt verstehen, daß sie mir einmal einen soliden Klaps auf den Hintern versetzt hatte, als ich beinahe den ganzen Napfkuchen aufgegessen hatte, der für den Sonntagskaffee gedacht war!
    Ich machte mir wirklich Mühe, aber ich brauchte viel Zeit und war oft furchtbar ungeschickt. Es lief auch nicht ohne Pannen ab! Mein Grießpudding war voll Klumpen, meine Frikadellen kamen als kleine steinharte Bällchen auf den Tisch, ein Schlafanzug von Marcus hatte einen versengten Fleck in Bügeleisengröße auf dem Po.
    Aber die Pflege von Mama schaffte ich! Da konnte sie sich nicht beklagen. Übrigens beklagte sie sich nie. Aber sie fing an, beim Kochen dabeizusein und mir mit Worten, wenn auch nicht mit Taten, beizustehen.
    „Nicht zu starke Hitze, Elainchen! Die Butter darf nicht braun werden. Ja. jetzt ist es genau richtig. Jetzt das Mehl einstreuen, nein, langsamer, und dabei immer rühren, ja. mit der rechten Hand rühren, mit der linken streuen! Noch einen Löffel Mehl, jetzt die Milch rein, aber langsam, nicht zuviel auf einmal, sonst bilden sich Klumpen. Ja, so ist es richtig!“
    Somit hatte ich gelernt, wie man eine helle Soße macht!
    In derselben Weise lernte ich. wie ein Kartoffelbrei leicht und geschmeidig wird, wie man vermeidet, daß die Milch anbrennt, wie gebratene Fische knusprig werden.
    Ab und zu. wenn ich irgendeine Arbeit vorhatte, die automatisch ging – Staubwischen, Kartoffelschälen und so was –, hörte ich mir die Bänder von Antje an. Romulus war großartig, er hatte während der ganzen Unterrichtsstunde das Mikrofon vor sich gehabt.
    Einen Teil kapierte ich, viel ging an mir vorbei, ganz einfach weil ich zu müde war und zu sehr von dem in Anspruch genommen war, was ich noch erledigen mußte.
    Nicht immer an die Schule denken, hatte Jessica gesagt. Aber ich konnte es nicht lassen! Bald war eine Woche um, entweder mußte ich für dieses Jahr mit der Schule aufhören, oder wir mußten eine Hilfe kriegen. Eine, die es auf sich nehmen würde, Mama zu pflegen und zwei Drittel der Hausarbeit zu machen – ein Drittel würde ich wohl mit gutem Willen nachmittags schaffen.
    Aber woher nahmen wir eine solche Frau?
    Jessica hatte versprochen, sich umzusehen und umzuhören, vielleicht wüßte eine ihrer Patienten jemanden…
    Eine Zeitungsanzeige – nein! Dann würde man nicht wissen, was für Menschen sich meldeten. Und ich würde in der Schule keine ruhige Sekunde haben, ich würde immer daran denken, ob Mama nun die Hilfe bekam, die sie brauchte. Und würde ein fremder Mensch all die Geduld aufbringen, die unsere Viecher beanspruchten? Würde er ein Auge zudrücken, wenn Marcus vier Freunde auf einmal in sein Zimmer schleppte, das nachher dementsprechend aussah und extra saubergemacht werden mußte?
    Eines Nachmittags saß ich bei einer sehr verantwortungsvollen Arbeit: Ich schnitt Mamas Zehennägel und massierte ihr die Füße.
    „Weißt du Mama“, philosophierte ich. „Eigentlich ist es ja ein Glück im Unglück, daß du nur die

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