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Alles muss versteckt sein (German Edition)

Alles muss versteckt sein (German Edition)

Titel: Alles muss versteckt sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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Hause kamen, Celia bereits schlafend auf der Rückbank unseres VW -Vans, müde von Sonne und Wind und ihrem Erfolg. Christopher trug sie hoch in ihr Zimmer, legte sie ins Bett, ich deckte sie zu, und wir beide blieben noch eine Weile neben ihr stehen, bevor ich die Nachttischlampe ausknipste.
    »Träum süß, mein Kleines«, flüsterte ich ihr noch von der Tür aus zu, dann zog ich sie hinter mir ins Schloss und folgte meinem Mann, der bereits in unser Schlafzimmer vorgegangen war.
    »Sie ist so schnell erwachsen geworden«, sagte ich, als ich später in Christophers Armen lag, den Kopf noch angefüllt mit Bildern vom See, voller Gedanken an den morgigen Tag. Aus dem kleinen Lautsprecher mit Dockingstation, der auf Christophers Nachttisch stand, drang leise das Präludium der Cellosuite Nr. 1 von Bach in mein Ohr, eines unserer Lieblingsstücke, zu dem wir oft zusammen einschliefen. »Jetzt kommt sie schon in die Schule, übermorgen macht sie Abitur, und dann wird sie uns verlassen.« Mein Mann lachte leise, langte mit einer Hand nach dem Schalter der Musikanlage und stellte sie aus.
    »Keine Sorge, Marie«, sagte er. »So schnell vergehen die Jahre nun auch wieder nicht.« Ich konnte nicht wissen, dass er recht behalten sollte. Schon bald würde die Zeit nicht mehr schnell vergehen, sie würde stehen bleiben, still, bewegungslos, jede Minute wie ein ganzes Leben, ein Leben, das nur noch eine nicht enden wollende Hölle war, Christopher und ich darin gefangen, zu einer Ewigkeit des Schmerzes verdammt. Doch jetzt, hier, neben ihm, seine warme Haut an meiner, sein Körper ganz nah bei mir, dieser schöne Körper, der immer so gut nach Mandarinen und Kandiszucker roch, seine kräftigen Arme, die mich festhielten und mir ein Gefühl von unendlicher Sicherheit gaben, während unsere Tochter oben in ihrem Zimmer schlief und vielleicht von morgen träumte – in diesem Moment gab es nur Geborgenheit, Glück und Zuversicht. Unvorstellbar, dass sich daran jemals etwas ändern könnte.
    Mitten in der Nacht weckten mich Celias Schreie. Ich fuhr im Bett hoch, noch ganz verwirrt, weil ich bis dahin so tief geschlafen hatte, dass ich im ersten Moment gar nicht wusste, wo ich war. Sofort war ich auf den Beinen, lief den Flur hinunter, sprang die Treppe hinauf zum ausgebauten Speicher, wo Celias Zimmer lag, zog die Tür auf und schaltete das Licht an.
    Mit weit aufgerissenen Augen saß Celia auf ihrem Bett, ihren Stoffhasen Murmel dicht an die schwer atmende Brust gepresst, das Gesicht rot und verschwitzt, die Haare standen ihr wirr vom Kopf ab, ihre Decke lag auf dem Boden, als hätte sie sie weit von sich gestrampelt. Ich setzte mich neben sie, nahm meinen kleinen, verängstigten Liebling fest in den Arm. Celias Herz raste wie wild.
    »Was ist los?«, fragte ich und strich ihr mit einer Hand über die feuchten Haare. »Hast du schlecht geträumt?«
    Sie nickte und sagte kein Wort, sie zitterte.
    »Schsch«, flüsterte ich und streichelte sie weiter, »es ist ja alles gut, Mama ist hier. Du brauchst keine Angst mehr zu haben.« Da schluchzte sie, ließ Murmel los, schlang ihre kleinen dünnen Ärmchen um mich, drückte sich fest an mich und barg ihren Kopf an meiner Brust. Ein paar Minuten saßen wir nur so da, während ich ihr weiter übers Haar streichelte und ihr Schluchzen langsam verebbte. Nach einer Weile rückte sie ein Stück von mir ab und sah mich aus ihren großen grauen Augen an.
    Und dann fragte sie: »Was ist, wenn ihr irgendwann mal tot seid, Papa und du?« Ich unterdrückte ein Lächeln, denn mir war klar, dass Celia diese Frage ganz ernst meinte. Damals beschäftigte sie sich öfter mit dem Tod, weil sie im Kindergarten in ihrer Gruppe, den »Marienkäfern«, die meine Kollegin Mareike leitete, beim Montagsgottesdienst übers Sterben gesprochen hatten.
    »Wir sind noch ganz lange da, Papa und ich gehen nicht weg«, sagte ich. Gleichzeitig ärgerte ich mich ein bisschen über meine Kollegin. Ich war dagegen, dass sie über solche Themen redeten, mir erschien das Kindergartenalter dafür zu früh.
    »Sie kommen alle in die Schule«, hatte Mareike auf meinen Einwand erwidert, »und wenn sie etwas wissen wollen, erkläre ich es ihnen halt.« Mareike hatte gut reden! Sie war kinderlos und musste nicht wie ich jetzt mitten in der Nacht am Bett ihrer verängstigten Tochter sitzen und versuchen, sie irgendwie wieder zum Schlafen zu bringen.
    »Und was ist, wenn ich mal sterbe?«, kam prompt die nächste Frage von

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