Alles muss versteckt sein (German Edition)
zu, wie das junge Mädchen aufgeregt auf ihre Zimmernachbarin einredet, die schließlich mit den Schultern zuckt und nickend ein »von mir aus« signalisiert.
»Wir hatten bei Celias Einschulung aufgehört«, sagt Dr. Falkenhagen, als Marie am Nachmittag doch wieder bei ihm im Büro sitzt. Ich , nicht wir , manchmal verfällt er eben doch in den typischen Therapeutenjargon. Die Zimmerfrage haben sie bereits miteinander geklärt, er hat nichts dagegen einzuwenden, dass Hannah Behrens und Susanne Krüger die Zimmer tauschen. »Wenn Sie sich das zutrauen«, hatte er Marie nur kurz gewarnt, »Frau Behrens ist manchmal sehr durcheinander.«
»Das passt zu mir«, hatte Marie seit langer Zeit wieder so etwas wie den Versuch eines Scherzes unternommen. »Ich bin auch oft sehr durcheinander.« Lachend hatte Dr. Falkenhagen zum Telefon gegriffen und den Schwestern Bescheid gegeben, dass Hannah und Susanne noch am selben Tag die Zimmer tauschen würden.
Und jetzt sitzt Marie also wieder hier bei ihm, während Susanne und Hannah vermutlich gerade schon ihre Sachen umräumen.
»Ja, die Einschulung«, nimmt sie den Faden wieder auf und betrachtet ihr Hände, die dank gründlichster Reinigung schon ein bisschen besser aussehen als noch vor wenigen Tagen.
Celia kam in der Schule gut zurecht, sofern man das nach ein paar Wochen überhaupt schon sagen konnte. Sie fand schnell Anschluss und neue Freundinnen, hatte Kunst bereits nach der dritten Stunde zu ihrem Lieblingsfach erklärt und festgestellt, dass die meisten Jungs in ihrer Klasse »total blöd« waren. Den Weg morgens zur Schule und mittags zu mir in den Kindergarten, in dem auch ihr Hort untergebracht war, fand sie ohne Probleme, schon nach der ersten Woche sträubte sie sich hartnäckig dagegen, weiter von mir gebracht und abgeholt zu werden. Ich verstand es gut, denn zum einen wollte Celia natürlich kein »Baby« sein, zum anderen war es doch viel schöner, gemeinsam mit den neuen Freundinnen zu gehen, den einen oder anderen Umweg zu laufen, vom Taschengeld beim Kiosk Süßigkeiten zu kaufen oder sich die Nase am Schaufenster einer Boutique platt zu drücken.
»Für dich«, sagte Celia eines Mittags, etwa einen Monat nach ihrer Einschulung, und drückte mir einen Zettel in die Hand, als sie im Kindergarten angekommen war. Ich nahm den Wisch entgegen und überflog die Mitteilung an die Eltern, die er enthielt. »Was steht denn da?«, wollte Celia wissen, die den Brief natürlich noch nicht lesen konnte.
»Dass du vorm Mittagessen im Hort keine Schokoküsse essen sollst«, behauptete ich, denn in Celias Mundwinkeln entdeckte ich verräterische braune Flecken und Eiweißschaum.
»Stimmt nicht!«, rief meine Tochter, wirkte aber gleichzeitig etwas verunsichert und wischte sich verstohlen mit einer Hand über die Lippen.
»Nein«, sagte ich. »Das stimmt auch nicht. Hier steht nur, dass die Ampelanlage am Ring wegen kurzfristiger Sielarbeiten nächsten Montag außer Betrieb gesetzt und der Verkehr so lange von Polizisten geregelt wird.«
»Sielarbeiten?«
»Das hat was mit den Wasserleitungen unter der Erde zu tun. Aber so genau weiß ich das auch nicht.«
»Und was heißt das jetzt?«
»Dass ich dich nächsten Montag zur Schule bringe und auch wieder abhole.«
»Ach, nöö!«, protestierte Celia, denn das bedeutete für sie gleichzeitig: keine unerlaubten Naschereien vorm Essen.
»Süße, das ist doch nur für einen einzigen Tag, danach kannst du wieder ganz allein gehen«, sagte ich und ärgerte mich ein bisschen. Denn ausgerechnet am Montag hatte ich Spätdienst im Kindergarten und deshalb für acht Uhr einen Termin bei der Massage gemacht, auf den ich mich schon ewig freute, den ich nun aber würde absagen müssen. Die Praxis war unten am Hafen, das wäre zeitlich nicht zu schaffen. Christopher war bis Mittwoch in Dubai, sonst hätte er Celia bei der Schule abliefern können. Aber so blieb wieder alles an mir hängen, und ich musste meine Bedürfnisse hintanstellen. Wie meistens, dachte ich in diesem Moment und wünschte mir wie schon häufiger einen Mann, der ein bisschen öfter zu Hause war und mich mehr unterstützen könnte.
»Was bedeutet das?«, wollte Celia wissen, als wir am nächsten Montagmorgen an der Ecke Falkenried und Ring 2 standen, wo ein Polizist auf der Kreuzung gerade seinen Arm senkrecht in die Höhe streckte.
»Das heißt so viel wie ›Gelb‹, da müssen wir warten«, erklärte ich meiner Tochter, die den Schutzmann neugierig
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