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Alles muss versteckt sein (German Edition)

Alles muss versteckt sein (German Edition)

Titel: Alles muss versteckt sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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könne sie ihn damit wieder zum Leben erwecken. Dann Sanitäter, ein Arzt, hektisches Hantieren mit Geräten, Wiederbelegungsversuche an einer Toten.
    »Was macht Sie gerade so böse?«
    Marie starrt Dr. Falkenhagen ungläubig an, kann nicht fassen, dass er das gefragt hat, dass ihm das nicht klar ist.
    »Was mich böse macht?«
    Er nickt.
    »Das Leben.« Sie schlägt mit einer Hand auf die Tischplatte, wischt mit den Fingern durch den See aus Tränen. »Dieses unfaire Scheißleben!«
    »Das verstehe ich gut.«
    Noch so ein banaler Allgemeinplatz, noch so eine geheuchelte Bekundung, und sie wird ihn schlagen, da ist sie ganz sicher.
    »Aber Sie haben ja nicht einmal Kinder!«
    »Und deshalb glauben Sie, dass ich Ihren Schmerz nicht nachvollziehen kann?« Nachdenklich wiegt er den Kopf hin und her. »Aber Sie haben recht, ich weiß nicht, wie sich das anfühlt. Ich kann es mir nur vorstellen.«
    »Das kann man sich nicht vorstellen«, widerspricht sie leise. »Das ist unvorstellbar.«
    »Vielleicht nicht. Aber ich sage Ihnen was: Ich bin froh, dass ich das nicht kann, denn das muss absolut grauenhaft sein, das Schlimmste, was man überhaupt erleben kann. Trotzdem bin ich hier, um Ihnen zu helfen.«
    »Mir kann niemand mehr helfen. Ich bin zu spät gekommen, einfach zu spät. Meine Tochter musste sterben, weil mir ein anderes Kind wichtiger war.« Jetzt kommen neue Tränen. »Ein anderes Kind , nicht meins – begreifen Sie das?«
    »Wer hat das behauptet?«
    »Alle.«
    »Wer ist alle?«
    Sie zuckt mit den Schultern. »Christopher. Meine Mutter. Unsere Freunde und Bekannten.«
    »Das haben sie zu Ihnen gesagt?«
    »Nein. Aber ich habe es gespürt. Schon bei Celias Beerdigung habe ich das, wie sie mich da alle angestarrt haben, mich, die Rabenmutter. Nach außen hin voller Mitgefühl, die Beileidsbekundungen, die Versprechen, immer für mich da zu sein, verbunden mit einem Tätscheln auf den Rücken. Und dann sind sie alle verschwunden, einer nach dem anderen. Bis auf meine Mutter, die blieb natürlich noch so lange, bis sie einmal mit aller Deutlichkeit loswerden konnte, dass sie ja von Anfang an für die Klosterhofschule gewesen war.«
    »Haben Sie noch Kontakt zu ihr?«
    »Nein, ich wollte sie nicht mehr sehen. Und sie ist dann noch nicht einmal zu meiner Verhandlung erschienen. Hat mich vorher nur angerufen und mir gesagt, dass sie das leider nicht durchsteht, dass ihr das zu viel ist und sie es nicht ertragen kann, ihre einzige Tochter so zu sehen. Sie steht das nicht durch und kann es nicht ertragen – lustig, oder?«
    »Was war mit Ihrer Ehe?«, fragt der Arzt. »Ihr Mann hat Sie auch verlassen?«
    »Nicht sofort«, sagt Marie. »Wir haben versucht, uns zusammenzuraufen, haben uns gesagt, dass wir ja wenigstens noch uns haben. Aber ich habe immer gespürt, dass er mir das nicht verzeihen kann, habe es jeden Tag, jede Minute und Sekunde in seinen Augen gesehen.« Diese Augen, die sie so an Celia erinnern, beinahe kam es ihr vor, als würde ihre Tochter sie vorwurfsvoll anschauen. Und was ist, wenn ich mal sterbe?, hört sie Celia fragen.
    »Es war ein Unfall«, sagt der Arzt.
    »Nein. Ich war nicht da, sonst wäre es nicht passiert. Das konnte und kann ich mir nicht verzeihen, und mein Mann konnte es eben auch nicht.«
    »Aber gesagt hat er das nie?«
    »Nicht direkt, nein.«
    »Woher wissen Sie dann so genau, dass er Ihnen die Schuld an Celias Tod gab?«
    »Was heißt wissen?« Sie zuckt mit den Schultern. »Es war mehr so ein Gefühl, vielleicht war es Christopher ja selbst auch gar nicht bewusst.« Marie seufzt. »Heute kann ich das nicht mehr so genau sagen.«
    »Und dann hat er Sie eines Tages verlassen?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Er hatte eine Geliebte.« Sie lacht. »Das war seine Art, mit der ganzen Sache umzugehen, hat sich eine Freundin gesucht, die ihn von zu Hause und dem zerstörten Wrack, das ich nur noch war, ablenkte, bei der er das alles vergessen konnte. Die typischste, die billigste aller Reaktionen auf so ein Ereignis.«
    »Wie haben Sie es herausgefunden?«
    »So banal, dass es schon fast peinlich ist. Lippenstift am Hemdkragen, der Klassiker.« Sie erinnert sich daran, wie sie es entdeckt hat. Und daran, dass sie nicht einmal sonderlich überrascht war, dass sie es sogar fast logisch fand, wie Christopher reagierte. »Er hat es gar nicht erst abgestritten, sondern gleich alles zugegeben. Hat gesagt, dass es ihm leidtut, dass es dumm von ihm war und ihm nichts bedeutet.«
    »Das hat Sie

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