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Alles muss versteckt sein (German Edition)

Alles muss versteckt sein (German Edition)

Titel: Alles muss versteckt sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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gewehrt – aber nun hatten sie mich doch besiegt.
    Zu Hause angelangt, holte ich das Handy aus meiner Tasche, rief die Rekorderfunktion auf und machte mich daran, sämtliche meiner Selbstgespräche zu entfernen, drückte wieder und wieder auf »Löschen«, vernichtete alle bösen Gedanken, die auf meinem Handy waren. Nur in meinem Kopf, da würde ich sie leider nicht so einfach löschen können, der Kobold sah mir zu bei dem, was ich tat. Und lachte.
    »Warum hast du dich damals nicht bei mir gemeldet und mir das alles erzählt? Warum hast du überhaupt nicht schon viel früher etwas gesagt? Denkst du etwa, ich hätte dir nicht geholfen?« Christopher sitzt neben ihr auf der Bank im Käfig und hält ihre Hand. Er hat sie die ganze Zeit gehalten, während Marie ihm alles berichtet hat, alles, was in den vergangenen Monaten, in den Monaten, in denen er in einer anderen Welt war, passiert ist. Gleich nach ihrem Gespräch mit Hannah hat sie ihn angerufen, und er ist sofort gekommen. Jetzt sitzen sie im Hof, und er hört sich in Ruhe alles an.
    Marie fühlt sich ganz leer, ihr Mund ist trocken, ihre Lippen rau, ob vom Reden oder von der beißenden Kälte im Innenhof, sie weiß es nicht.
    Aber nicht nur leer fühlt sie sich, auch leicht. Sie hat ein wenig von der Last abgegeben, nicht an ihren behandelnden Arzt, sondern an einen Menschen, dem sie seit jeher vertraut. Schon bei Patrick hätte sie das damals tun sollen, hätte nicht zulassen dürfen, dass er von allein herausfinden musste, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Und wenn sie bei Patrick den Fehler gemacht hatte, ihm etwas – das wichtigste Etwas ihres Lebens – zu verschweigen, muss sie es wenigstens bei Christopher anders machen. Das wird zwar nichts ändern, natürlich wird es das nicht. Aber sie hat sich etwas vorgenommen: Nie wieder wird sie, so hatte der Verleger es formuliert, aus ihrem Herzen eine Mördergrube machen. Und irgendwo muss Marie ja damit anfangen, warum also nicht bei Christopher?
    »Ich hatte Angst«, gibt sie jetzt zu. Dabei entzieht sie Christopher ihre Hand, um in ihrer Jackentasche nach dem Päckchen mit den Zigaretten zu suchen. Als sie die Schachtel herausholt, bemerkt sie den Blick ihres Exmannes.
    »Gibst du mir auch eine?«, fragt er.
    »Seit wann rauchst du?«
    »Seit wann bist du verrückt?« Sie müssen beide lachen. Marie reicht Christopher eine Zigarette, zündet sie ihm an, er nimmt einen tiefen Zug und fängt sofort an zu husten. »Vielleicht für den Anfang nicht auf Lunge«, bringt er keuchend hervor, zieht ein weiteres Mal an der Zigarette, pafft den Rauch aber diesmal nur in die Luft.
    Hannah kommt in den Hof, sieht Marie und winkt ihr zu. Dann zieht sie den Reißverschluss ihrer dicken Daunenjacke zu, stapft rüber auf die andere Seite des Käfigs und setzt sich dort auf eine freie Bank.
    »Wer ist das?«, fragt Christopher.
    »Meine Zimmernachbarin, Hannah.« Oder ist es Luzy? Oder einer von den anderen? Nein, Mark oder Hannah, denn gerade steckt das Mädchen sich auch eine Zigarette an und Marie weiß ja, dass außer den beiden keine von Hannahs Persönlichkeiten raucht.
    »Also«, kommt ihr Exmann auf das eigentliche Thema zurück. »Ich muss zugeben, dass das, was du mir eben erzählt hast, wirklich komplett irre klingt.«
    »Komplett irre, ja«, gibt Marie ihm recht.
    »Und die Vorstellung, dass da niemand war, dem du dich anvertrauen konntest, macht mich auch ganz irre. Das muss für dich einfach schrecklich gewesen sein!«
    »Na ja«, Marie grinst schief, »ich hatte Mama, mit ihr habe ich darüber gesprochen.«
    »Lass mich raten: Sie war dir eine große Hilfe!«
    »O ja«, gibt Marie zurück, »so wie immer, auf Mutter ist Verlass!« Christopher legt einen Arm um ihre Schulter, im ersten Moment versteift sie sich etwas, aber dann lässt sie sich an ihn sinken. Sich anlehnen, sich ein bisschen fallen lassen – wie gut sich das anfühlt! Sie schließt die Augen, lässt ihren Kopf noch ein bisschen tiefer sinken und genießt es, einfach nur so dazusitzen. Es stimmt, sie hätte damals nicht weglaufen sollen, als sie bei ihm geklingelt hat. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Aber das sind viele Vielleichts und Wenns und Abers, sie zählen jetzt nicht mehr.
    »Marie«, sagt Christopher nach einer Weile. Sie öffnet die Augen und sieht ihn an, nachdenklich streicht er ihr mit der Hand eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich weiß nicht, wie das hier ausgeht, aber ich weiß eins: Was immer ich tun kann, um

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