Alles muss versteckt sein (German Edition)
einzig und allein Patrick dafür verantwortlich.
»Das ist krank«, flüstert Marie, während sie Seite für Seite umblättert, »wirklich krank.«
Ein einziges Mal meinte es das Schicksal gut mit mir und schickte mir Marie, die neue Freundin meines Bruders. Ihre Zwangserkrankung, von der ich bei einem Abendessen erfuhr. Von diesen Mordfantasien, die sie quälten, von diesen großartigen Gedanken! Da habe ich gewusst: Das ist perfekt! Du musst es nur richtig inszenieren – dann wird jeder glauben, dass sie das war und nicht du! Alle haben gehört, was im Kopf dieser Durchgeknallten vor sich geht, bessere Beweise gibt es nicht!
Der Rest war schnell geplant: Ich musste sie für eine Nacht schachmatt setzen, mit K.-o.-Tropfen, die ich ihr in den Drink kippte, kein Problem, damit wäre sie völlig weggetreten. Die Tropfen bekam ich im Internet, wo man mir versicherte, dass sie nur sechs Stunden lang im Blut nachweisbar wären. Außerdem: Wenn ich es geschickt anstellte, würde man nach so etwas erst gar nicht suchen, Marie wäre die eindeutige Täterin.
Ich selbst? Ich müsste nur so tun, als hätte ich mich wie immer betrunken, obwohl ich absolut nüchtern war. Nachts mit dem Schlüssel in die Wohnung meines Bruders, ihn töten, und es dann so aussehen lassen, als wäre Marie es gewesen, ihr das Messer in die Hand drücken, ihren Körper in Patricks Blut rollen. Dann wieder nach Hause und schnell so viel Whiskey tanken, dass ich noch am nächsten Morgen total betrunken wäre … Ein Alibi? Meine Schwester würde es mir geben, wenn ich sie darum bat, da war ich ganz sicher!
Marie lässt die letzte Seite sinken, lässt sie auf die Memory-Karten fallen. Das war wirklich alles geplant? Felix hatte sie wie eine Tatwaffe benutzt? Wie eine vermeintliche Tatwaffe?
»Das glaube ich nicht«, sagt sie. »Das glaube ich einfach nicht!«
»Ich war auch fassungslos«, erwidert Christopher. »Wie kann man nur auf so eine abartige Idee kommen?«
»Es gibt viele Menschen, die abartig sind«, schaltet sich Hannah zum ersten Mal ein. »Oder wie sie hier in der Psychiatrie immer sagen: Es gibt nichts, was es nicht gibt .«
»Aber was heißt das jetzt?« Marie ist immer noch verwirrt.
»Was das heißt?«, ruft Christopher. »Das heißt, dass du unschuldig bist! Du hast Patrick nicht ermordet! Und das hier«, er schlägt mit der flachen Hand auf den Stapel Papier, »ist besser als jedes Geständnis.«
Marie schüttelt den Kopf. »Warum hat er das alles aufgeschrieben? War er sich seiner Sache so sicher, dass er dieses Risiko eingehen konnte?«
»Genau dieses Risiko wollte er sogar eingehen!«
»Er wollte das?«
»Ich habe auch seine E-Mails gecheckt«, erklärt Maries Exmann. »Felix schrieb sich mit Rudolph Meissner. Das war doch der Verleger, von dem du erzählt hast, oder?« Marie nickt. »Felix hat ihm Teile seiner Geschichte gemailt und als Buch angeboten.«
»Was?« Marie begreift überhaupt nichts mehr. »Warum? Das ist doch totaler Wahnsinn!«
»Weil es ihm nicht gereicht hat, das perfekte Verbrechen begangen zu haben. Er wollte auch noch Kapital daraus schlagen und sein Ego befriedigen.«
»Und für sein Ego gibt er einen Mord zu? So dumm kann doch niemand sein!«
Christopher schüttelt den Kopf. »So dumm war er natürlich nicht. Er hat einfach behauptet, der Mord an seinem Bruder habe ihn zu einer Geschichte inspiriert. Zu der Überlegung, was wäre, wenn alles völlig anders gewesen wäre, als es scheint. Rudolph Meissner war von der Idee begeistert. Er schrieb zwar auch, dass so eine Veröffentlichung ein heikles Thema sei, gerade für ihn als Patricks Exverleger, aber die Geschichte hätte ihn einfach komplett überzeugt, man könne ja die Namen ändern, so etwas Unglaubliches hätte er jedenfalls noch nie gelesen, da würde er das Risiko eines Skandals durchaus eingehen wollen.«
Ihre Geschichten müssten etwas authentischer sein. Marie hat die Worte des Verlegers noch im Ohr. Und authentisch, ja, das war sie, diese Geschichte hier. »Meissner hat Felix einen Vorschuss von über vierzigtausend Euro gezahlt«, unterbricht Christopher ihre Gedanken. »Davon hat er sich wohl den Sportwagen gekauft, also brauchte er das Geld von seinem Erbe dafür gar nicht.«
»Ich fasse es immer noch nicht«, gibt Marie zu. »Das klingt zu absurd! Das wäre ja wirklich ein regelrechtes Komplott!«
»Ich fürchte, das ist es«, sagt Christopher. »Felix hat deine Schwäche ausgenutzt. Du warst tatsächlich die perfekte
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