Alles nicht so einfach
war wieder allein mit Garrick.
»Was machst du hier?« Meine Frage kam unwirsch heraus.
Im Vergleich dazu klang er freundlich und ruhig, möglicherweise ein wenig traurig. »Ich habe noch keinen Internetanschluss in meiner Wohnung und musste meine E-Mails checken. Aber wenn du willst, kann ich auch gehen.«
Ja.
»Nein«, seufzte ich. »Ich will dich nicht verscheuchen. Ich wünschte nur, du hättest nicht angeboten, dass wir uns zu dir setzen können.«
»Na ja, Cade hat ja nicht gesagt, dass er mit dir da ist. Ich wollte nur nett sein.«
»Ich … es tut mir leid … ich … es ist nur so peinlich. Cade weiß nicht …«
»Und ich werde es ihm nicht sagen, falls dir das Sorgen bereitet. Ich möchte diesen Job behalten, und außerdem geht mich dein Privatleben nichts an. Was zwischen uns passiert ist, ist vorbei.«
Seine Stimme wurde hart, während er sprach. Vorbei? Warum fühlte sich das wie ein Schlag in die Magengrube an? Er hatte die Zähne zusammengebissen, was meinen Blick auf seinen kräftigen, glatten Kiefer zog.
»Du hast dich rasiert«, stellte ich fest. Ganz nüchtern, ohne Koketterie.
Sein Kiefer entspannte sich und er sah mich verwirrt an. »Ähm, ja.«
Schweigend saßen wir da, und ich konnte nicht aufhören, ihn anzuschauen. Seine Augen waren ozeanblau, und ohne die Bartstoppeln sah er jünger aus – weniger verwegen-sexy, sondern eher wie der heiße Junge von nebenan.
Sein Blick fiel auf meine Lippen, und mir wurde bewusst, dass ich mir auf die Unterlippe biss. Gott, ich würde ihn am liebsten wieder küssen.
Hektisch sprang ich von meinem Stuhl auf. »Das war eine schlechte Idee. Ich gehe jetzt lieber. Sag Cade, dass mir schlecht geworden ist oder so.«
Er stand ebenfalls auf. »Nein, Bliss, warte. Es tut mir leid. Geh nicht. Ich werde … Shit, ich weiß nicht, was ich tun werde. Ich werde einfach still dasitzen, damit ihr mich komplett ignorieren könnt. Das verspreche ich.«
In diesem Moment betrat Lindsay wieder die kleine improvisierte Bühne. Die Lichter gingen an und die Leute klatschten.
Wenn ich gehen wollte, dann musste ich es jetzt tun. Wenn ich mitten in ihrem Auftritt aufstand und ging, würde es Lindsay sehen und sauer werden.
Deshalb setzte ich mich wider besseres Wissen wieder hin.
Garrick hielt sein Versprechen und hielt den Blick auf seinen Bildschirm geheftet. Ich saß still da, während Lindsay ihren Soundcheck machte, meinen Hals fest angespannt, um ihn nicht anschauen zu müssen.
Gerade als Lindsay sich vorstellte, kam Cade zurück. »Hey«, flüsterte er. »Randy war gerade am Tische abräumen, und ich konnte mir ein Geschirrtuch von ihm ausleihen. Ich dachte mir, das wäre besser als ein paar Servietten.«
Dann hob er einen meiner klebrigen Füße in seinen Schoß, zog mir den Schuh aus und wischte mir mit dem feuchten Geschirrtuch über das Bein. Ich kicherte, als er eine besonders kitzlige Stelle erreichte.
Ich hörte, wie Garrick aufhörte zu tippen.
Einem Instinkt folgend blickte ich ihn an, aber er sah zu Cade hinüber … und zu meinen Beinen. Ich räusperte mich und zog meinen Fuß zurück. Dann nahm ich Cade das Geschirrtuch aus der Hand und sagte: »Danke, aber ich schaff das allein. Ich traue dir nicht über den Weg – du kitzelst mich bestimmt wieder.«
Garrick wandte sich wieder seinem Computer zu, Cade konzentrierte sich auf Lindsay, und ich bückte mich, um mir meine Füße genauer anzuschauen. Als ich mir sicher war, dass mich niemand beobachtete, kniff ich die Augen zu und stieß einen stummen Schrei aus. Ein richtiger Schrei hätte sich besser angefühlt, aber ich musste eben nehmen, was ich kriegen konnte.
Ich kannte Lindsays erste Lieder, weil ich schon mehrmals gehört hatte, wie sie sie spielte – sowohl auf der Bühne als auch bei den Proben und in den Pausen zwischen den Unterrichtsstunden. Sie hatte diesen großartigen, rauen Akustiksound, und ihre Texte hatten diesen sozialkritischen Unterton, der die Leute auf ihren eigenen Mist hinwies. Deshalb war ich auch so unglaublich überrascht, als sie sich zum Mikrofon beugte und ihren nächsten Song ankündigte.
»Der nächste Song ist ein wenig ungewohnt für mich. Der liebenswürdige Besitzer dieses Etablissements …« (Sie deutete auf eine Seite der Bühne.) »… winken, Kenny …« (es sah gezwungen aus, aber er winkte) »… jedenfalls hat mich Kenny darum gebeten, dass ich mindestens einen Song spiele, der nicht – Wie nanntest du es noch mal, Kenny? – ›Bitter oder
Weitere Kostenlose Bücher