Alles nur aus Liebe
kalten, unversöhnlichen Blick auf sie. Es waren dieselben Augen, die sie vorhin noch voller Liebe angesehen hatten …
“Du kennst die Wahrheit, nicht wahr?” fragte sie ruhig.
“Ja, ich kenne sie”, erwiderte er bitter. “Ich habe sie schon vor zwei Tagen geahnt, und du hast es mir jetzt bestätigt. Ich dachte, dir würde etwas an mir liegen, du würdest mir vertrauen. Was ich heute abend gesehen habe, ist aber wohl das einzig Wahre an dieser ganzen Lügengeschichte.”
Sein kalter Blick verletzte sie, als hätte er ihr ein Messer ins Herz gestoßen.
“Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann tu es besser jetzt”, fuhr er fort. “Ich will nämlich, daß du morgen früh deine Sachen packst und von hier verschwindest. Nur der Kinder wegen lasse ich dich die Nacht über noch bleiben.
Ich will dir die Gelegenheit geben, dich von ihnen zu verabschieden.”
“Es gibt nur wenig zu sagen, und es ist auch nicht sehr kompliziert”, antwortete sie. Sie schaute auf seine geballten Fäuste. Es waren dieselben Hände, die über ihre brennende Haut geglitten waren und die so intensive Gefühle in ihr geweckt hatten, wie sie sie noch nie erlebt hatte. Nun waren es die Hände eines Fremden, zu Fäusten geballt, deren Knöcheln weiß hervortraten.
“Warum fängst du nicht ganz von vorn an und überläßt mir die Beurteilung?
Laß uns mit deiner wirklichen Identität beginnen”, sagte er ungeduldig, während er nochmals auf den schlafenden Joey schaute. “Ist Annie Kramer dein richtiger Name?”
“Nein. Ich heiße Leandra Kincaid Matthews”, begann sie langsam. Jedes weitere Wort konnte dazu führen, daß er sie noch mehr haßte, aber sie würde nicht schweigen. Jede Mutter hätte das getan, was sie tat, wenn sie die Gelegenheit gehabt hätte.
“Nicht Annie?”
“Nein, aber ich wurde Annie genannt, seit ich klein war. Es ist der Name, unter dem mich die meisten kennen. Deswegen habe ich ihn natürlich benutzt, um die Stellung zu bekommen.”
“Natürlich”, wiederholte er trocken. “Dann steht also Leandra Matthews auf deinem Führerschein, von dem du behauptet hast, daß du ihn nicht mehr besitzt.”
“Ja und nein. Ich hatte ihn nicht bei mir, aus Angst, mich zu verraten.”
“Deswegen also konnte ich keinen Führerschein in Virginia ausfindig machen, der auf den Namen Annie Kramer ausgestellt ist.” Er musterte sie kühl. “Und die Sache mit der Agentur war auch vorgetäuscht?” .
“Ja.”
“Die Referenzen, die du Mrs. Matthews gegeben hast?”
“Die habe ich selbst geschrieben.”
“Dann gibt es auch keine früheren Arbeitgeber?”
“Nein. Die drei Namen gehören Freundinnen von mir.”
“Du hast dir ziemlich viel Mühe gemacht, um den Job zu bekommen”, bemerkte er schließlich. “Wer hat hier sonst noch die Wahrheit gewußt?”
“Clara Swenson. Sie versprach mir, es niemals Robert oder seiner Frau zu verraten.”
“Wie hat sie es herausgefunden?”
“Sie wußte es einfach. Sie sagte, sie würde die Liebe einer Mutter erkennen …”
Annie blickte ihn an, versuchte über die Augen Kontakt mit ihm aufzunehmen.
“Es tut mir leid, daß ich dich anlügen mußte, Mike. Aber ich mußte es einfach tun, verstehst du?”
“Ich hätte Lunte riechen müssen, als du Mr. Matthews Robert nanntest”, bemerkte er bitter. “Mir scheint, du hättest ihm die Wahrheit sagen sollen.
Vielleicht hätte er deinem Wunsch zugestimmt.”
“In dem Augenblick, wo Frank und Miss Hannibal aus dem Stall entwichen waren, hätte Robert niemals eingewilligt”, sagte sie scharf. “Mir gegenüber hat er sich jahrelang nicht vernünftig verhalten. Sein Ego ließ es nicht zu. Aber die Wahrheit ist, daß ich mich gestern endlich entschieden hatte, ihm reinen Wein einzuschenken. Leider bekam ich dazu keine Chance.”
“Deswegen also warst du so gefühlvoll?” fragte er sarkastisch. “Nach gestern nacht war ich so dumm zu glauben, es könnte meinetwegen sein.”
“Die letzte Nacht war für mich so etwas Besonderes, daß ich sie niemals mehr vergessen werde”, gestand Annie leise. “Es war die glücklichste Nacht meines Lebens.”
Das war sie für mich auch, dachte Mike, als er sah, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Er dachte daran, wie sich ihre seidige Haut unter seinen Lippen angefühlt hatte. Und wie ihr leichter Vanilleduft seine Sinne benebelt hatte. So dumm, wie er war, sehnte er sich immer noch ihr. Selbst jetzt, wo er die Wahrheit kannte.
“Und du warst Robert Matthews erste
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