Alles oder nichts
des Hauses, in dem die Zimmer der Hausangestellten lagen. Als wir das Zimmer, in dem Nollie Starr gewohnt hatte, erreichten, folgte sie mir hinein, schloß die Tür hinter sich, lehnte sich dagegen und verfolgte mit ihren Blicken gespannt und aufmerksam jede meiner Bewegungen.
»Suchen Sie etwas Bestimmtes?« fragte sie.
»Nein.«
»Ich darf natürlich offiziell nicht wissen, warum Sie hier ins Haus kommen, Mr. Lam, aber«, sie zögerte kurz, »aber haben Sie schon etwas herausgefunden?«
»Ich glaube, ja.«
»Waren Sie nicht ...ich habe Sie doch gesehen, wie Sie zur Wohnung von Rufus Bayley über der Garage hinaufgingen?«
»Das kann schon sein.«
»Sind Sie ...ich meine, haben Sie...«
»Ja, ich bin - und habe«, erwiderte ich lächelnd.
Sie errötete und senkte den Blick.
»Wer macht die Betten?« fragte ich.
»Er selbst«, antwortete sie.
»Ich meine nicht bei ihm drüben, sondern hier im Hause.«
»Ach so. Das Hausmädchen.«
»Nollie Starr hat das Haus am Dienstag verlassen. Am Mittwoch rief mich Dr. Devarest zu sich. Am Mittwoch abend war ich in diesem Zimmer und habe es mir angesehen. Ich fand, daß der Wecker aufgezogen war. Ich möchte gern wissen, ob jemand in dem Bett hier geschlafen hat. Sie haben Miss Starr nicht zufällig am Dienstag abend zurückkommen sehen, wie?«
»Nein.«
»Sie wissen auch nicht, ob jemand ihr Zimmer benutzt hat?«
Sie war beunruhigt und vermied es, mich anzusehen, als sie meine Frage verneinte.
»Sie wissen also nicht, ob jemand in diesem Zimmer geschlafen hat?«
»Nein, bestimmt nicht.« Sie blickte mich an, schlug aber gleich darauf wieder die Augen nieder und kam zu mir herüber. Sanft legte sie ihre Hand auf meinen Arm. »Hat Rufus - hat der Chauffeur irgend etwas über mich gesagt?« fragte sie zögernd.
»Warum sollte er?«
Sie stand dicht neben mir und hielt mich immer noch am Arm fest. »Es ist hier für uns oft schrecklich langweilig. Wenn wir wissen, daß wir nicht mehr benötigt werden, setzen wir uns zusammen und unterhalten uns dann ganz gut. Hin und wieder besorgen wir uns auch etwas zu trinken und-nun, Sie werden sich vorstellen können, wie es da manchmal so zugeht. Sie brauchen Mrs. Devarest doch nicht über alles zu unterrichten, was Sie hier feststellen?«
»Warum sollte ich das nicht?«
Jetzt sah sie mir fest in die Augen. »Sie ist wie wild hinter Rufus her - und sie ist wahnsinnig eifersüchtig.«
»Wie war das denn mit Nollie Starr? Kam sie manchmal auch zu Ihren Zusammenkünften?«
»Nein. Sie gehörte nicht richtig zu uns.«
»Ich will jetzt zu Mrs. Devarest.«
»Der Arzt ist gerade bei ihr.«
»Dr. Gelderfield?«
»Ja.«
»Wie lange ist Mrs. Devarest schon bei ihm in Behandlung?«
»Etwa seit einem Jahr. Dr. Devarest behandelte Dr. Gelderfields Vater und bat Dr. Gelderfield, die Behandlung seiner Frau zu übernehmen.«
»Nollie Starr hat sich also nie an Ihren Abendunterhaltungen beteiligt?«
»Nein.«
»Sie muß es aber doch recht langweilig gefunden haben, die ganze Woche über ans Haus gefesselt zu sein?«
»Ich weiß es nicht. Mit mir hat sie nie darüber gesprochen.«
»Womit verbrachte denn sie ihre Abende?«
Sie vermied es, mich anzusehen, und antwortete nicht.
»Was hat Miss Starr abends, wenn sie hier im Hause war, getrieben?« wiederholte ich. »Wo verbrachte sie ihre Freizeit?«
»In ihrem Zimmer, glaube ich.«
»Haben Sie hier Licht brennen sehen?«
»Ja, manchmal.«
»Zog sich Mrs. Devarest im allgemeinen frühzeitig zurück?«
»Ja. Sie hat etwas an ihrem Herzen. Dr. Gelderfield scheint sich deswegen Sorgen zu machen.«
»Dr. Gelderfield ist gerade bei Mrs. Devarest, sagten Sie?«
Sie nickte.
»Dann gehe ich jetzt zu ihr.«
Sie hielt mich immer noch am Arm fest. »Sie werden Mrs. Devarest doch nichts sagen - über mich, meine ich?«
»Was sollte ich ihr denn über Sie sagen?«
Auf diese Frage wußte sie keine Antwort. Ich befreite meinen Arm sanft von ihrer Hand und verließ das Zimmer.
Dr. Gelderfield hielt sich mit Mrs. Devarest in der Bibliothek auf. Er hatte verordnet, daß sie in einem Rollstuhl gefahren werden sollte. Darin saß sie und genoß es, krank zu sein. Als ich eintrat, blickten beide auf.
»Ah, Donald. Ich wußte gar nicht, daß Sie im Hause sind«, begrüßte mich Mrs. Devarest.
»Ich habe mich nur noch einmal umgesehen.«
»Ich muß jetzt gehen, Colette«, sagte Dr. Gelderfield. »Meiner Meinung nach brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Verhalte dich nur ruhig und
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