Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
Essensbehälter, eine Handvoll fettige Chow-Fun-Nudeln, Pizzareste und einen Kopfsalat, der im Kühlschrank schlecht geworden war, weil wir ihn zu lange liegen gelassen hatten.
Wie ich so da auf dem Fußboden saß, umgeben von all diesen Abfällen, Notizblock und Stift in der Hand, fühlte ich mich, als hätte ich mich auf die Waage gestellt und das Ergebnis wäre viel schlimmer als befürchtet. Es war nichtder Müll an sich, der mir so zu schaffen machte, sondern das gedankenlose Wegwerfen von Dingen, die nicht mal fünf Minuten in Gebrauch gewesen waren. Um ehrlich zu sein, hatte ich bei jedem Kaffeebecher und jeder Wasserflasche, die ich irgendwo unterwegs in einen Mülleimer warf, ein schlechtes Gewissen. Doch seit Jahren erteilte ich mir immer wieder Absolution und nahm mir vor, mich zu bessern.
Wenn Sie mich gefragt hätten, ob ich mir Mühe gab, keinen Müll zu produzieren und keine Dinge zu verschwenden, hätte ich geantwortet, dass ich auf jeden Fall deutlich unter den zwei Kilogramm Müll lag, die der Durchschnittsamerikaner pro Tag zustande bringt (das sind satte 730 Kilogramm pro Jahr). Wahrscheinlich hätte ich gesagt, dass ich nicht alles tat, was möglich war, aber dass ich mich immerhin bemühte. Dass ich nicht nur darüber redete. Dass mir die Welt am Herzen lag.
Was zeigte mir der zerknüllte, fettbeschmierte Haufen um mich herum? Dass ich noch einen langen Weg vor mir hatte.
Ich bin in Westport, Massachusetts, aufgewachsen, einer kleinen Stadt an der Küste, nur ein paar Häuser von meinen Großeltern entfernt. Oft lief ich den Kiesweg hinauf, der zu ihrem Haus führte, und setzte mich zu meinem Großvater, um fernzusehen. Er hielt dabei immer einen Schalter in der Hand, der über ein langes Kabel mit der »Kiste«, wie er den Fernseher nannte, verbunden war. Sobald Werbung kam, drückte er auf den Schalter, und dann war der Ton weg. Wenn die Sendung weiterging, schaltete er den Ton wieder ein.
Meine Großmutter faltete immer sorgsam die braunen Papiertüten zusammen und hob sie auf, um sie beim nächsten Einkauf wieder mitzunehmen oder sie als Mülltüten zu verwenden. Wenn ich das Licht im Bad angelassen hatte, bestanden sie darauf, dass ich die Treppe wieder hinauflief und es ausmachte. Sie brachten mir bei, immer nur so viel auf den Teller zu füllen, wie ich essen konnte, und niemals Abfall einfach auf den Boden zu werfen. Wenn es kalt war,zogen sie einen Pullover an und drehten die Heizung nur wenig auf.
Bevor er in den Ruhestand ging, war mein Großvater ein ziemlich hohes Tier bei der CIA gewesen, und meine Großmutter hatte als Fotomodell gearbeitet. Sie waren also nicht gerade Öko-Hippies. Aber sie hielten nichts von Verschwendung, und als ich klein war, hatten sie versucht, diese Einstellung an mich weiterzugeben.
Was würden meine Großeltern wohl jetzt von mir denken? Ich hatte ihren Hang zum Aufbewahren und Wiederverwerten immer mit der Weltwirtschaftskrise in Zusammenhang gebracht, die die beiden durchlebt hatten. Doch nun war ich ziemlich sicher, dass ihre Forderung, sorgsam mit unseren Rohstoffen umzugehen, nicht einfach nur auf Sparsamkeit gründete. Dahinter steckte mehr. Nämlich die tiefe Überzeugung, dass wir das, was uns geschenkt worden ist, nicht für selbstverständlich halten sollten. Für meine Großeltern und all die Nennonkel und -tanten, die ihre Freunde waren, hatte das nichts mit Umweltschutz zu tun, sondern mit Dankbarkeit gegenüber dem Leben und allem, was damit verbunden ist.
Die beste Freundin meiner Großmutter wies mich mal zurecht, als ich als Teenager eine Zigarettenkippe bei ihr in den Garten warf. »Hör mal zu, mein Junge«, sagte sie. »Es ist mir egal, ob du rauchst, aber deinen Abfall, den tust du bitte dahin, wo er hingehört.«
Und nun saß ich da auf dem Fußboden, betrachtete den Haufen von Dingen, die ich kaum benutzt hatte, und kam mir ziemlich undankbar vor. Trotz der Werte, die meine Großeltern mir zu vermitteln versucht hatten, hatte ich all das für selbstverständlich genommen.
Das war das Ergebnis, was die Menge des Mülls betraf. Aber es ging ja auch noch um die Dinge selbst.
Archäologen finden oft das meiste über eine antike Zivilisation heraus, indem sie deren Müll untersuchen, und wenn ich Archäologe wäre, würde mir an dem Haufen Müll zu meinen Füßen – neben der Menge – vermutlich als Erstesauffallen, dass es darunter keinerlei Möhrenraspeln, Kartoffelschalen, Melonenrinden, Apfelkerngehäuse,
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