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Alles Sense

Alles Sense

Titel: Alles Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Stunden gab er keinen Ton von sich und saß wie erstarrt, die Hände um die Armlehnen des Stuhls geschlossen – bis Frau Flinkwert verkündete, sie ginge nun zu Bett. Daraufhin kehrte er in die Scheune zurück und schlief.
     
    Bill Tür merkte nicht, daß sich ihm jemand näherte, doch plötzlich schwebte eine graue Gestalt in der Dunkelheit.
    Irgendwie hatte sie seine goldene Lebensuhr an sich gebracht.
    Das Wesen teilte ihm mit: Bill Tür, es ist ein Fehler passiert.
    Das Glas zerbrach. Körnige goldene Sekunden glitzerten in der Luft und sanken dann zu Boden.
    Das Wesen teile ihm mit: Wende dich ab von diesem Ort. Arbeit wartet auf dich. Es ist ein Fehler passiert.
    Die Gestalt verblaßte.
    Bill Tür nickte. Natürlich war ein Fehler passiert. Es konnte gar kein Zweifel daran bestehen, daß ein Fehler passiert war. Er hatte die ganze Zeit über gewußt, daß jemandem ein Fehler unterlaufen sein mußte.
    Er streifte den Overall ab, warf ihn in eine Ecke des Heubodens und griff nach seinem Umhang aus absoluter Schwärze.
    Nun, einige interessante Erfahrungen lagen hinter ihm. Ja, doch obwohl seine Erlebnisse sicher die Bezeichnung »interessant« verdienten, wollte er sie trotzdem nicht wiederholen. Er fühlte sich so, als hätte man ein schweres Gewicht von seiner Brust genommen.
    Erging es allen Lebenden so? Spürten sie, wie Finsternis an ihnen zerrte?
    Wie wurden die Menschen damit fertig? Seltsam: Sie schienen sogar Gefallen am Leben zu finden, obwohl sie allen Grund hatten, sich der Verzweiflung hinzugeben. Zu wissen, ein winziges lebendes Etwas zu sein, eingequetscht zwischen zwei hoch aufragenden Klippen aus Dunkelheit… Wie konnte man da nicht verzweifeln?
    Man brauchte Zuversicht. Vermutlich mußte man mit ihr geboren werden.
    Tod sattelte sein Pferd und ritt über die weiten Felder. Das Korn wogte unter ihm, einem Meer gleich. Frau Flinkwert mußte sich von jemand anders bei der Ernte helfen lassen.
    Seltsam. In diesem Zusammenhang regte sich etwas in ihm. Bedauern? Reue? Doch jene Empfindungen gehörten Bill Tür, und Bill Tür… lebte nicht mehr. Er hatte nie gelebt. Tod war wieder sein altes Selbst, vor Gefühlen aller Art geschützt.
    Für Bedauern und Reue gab es in seiner Existenz keinen Platz.
    Und jetzt saß er in seinem Arbeitszimmer, was ihm sonderbar erschien, denn er erinnerte sich nicht daran, auf welche Weise er diesen Ort erreicht hatte. Im einen Augenblick auf Binkys Rücken, im nächsten das dunkle Zimmer mit den großen Büchern und Lebensuhren und diversen Instrumenten.
    Sein Gedächtnis zeigte ihm ein kleineres Zimmer. Dieser Raum war viel größer – seine Wände verloren sich irgendwo in gestaltlosem Schwarz.
    Offenbar neigte er noch immer dazu, die Dinge aus Bill Türs Perspektive zu sehen, und um sich von dieser Angewohnheit zu befreien, mußte er beschäftigt bleiben, sich ganz auf die Arbeit konzentrieren.
    Es standen bereits einige Lebensuhren auf dem Schreibtisch. Er entsann sich nicht daran, sie ausgewählt zu haben, aber das spielte keine Rolle. Die Arbeit… Nur darauf kam es jetzt an…
    Tod nahm die erste Lebensuhr und las den Namen.
     
    »Kickelock-krack!«
    Frau Flinkwert setzte sich im Bett auf. Sie glaubte, ein seltsames Geräusch gehört zu haben, noch seltsamer als der Hahnenschrei.
    Sie tastete nach den Streichhölzern, entzündete eine Kerze und tastete unterm Bett nach dem langen Entermesser, das Herr Flinkwert während seiner Geschäftsreisen durch die Berge häufig benutzt hatte.
    Kurz darauf eilte sie die Treppe hinunter und trat in den kühlen Morgen. An der Scheune zögerte sie kurz, bevor sie die Tür einen Spaltbreit öffnete.
    »Herr Tür?«
    Es raschelte im Heu, und dann herrschte wachsame Stille.
    FRAU FLINKWERT?
    »Hast du gerufen? Ich glaube, jemand rief meinen Namen.«
    Es raschelte erneut, und dann erschien Bill Türs Kopf am Rand des Heubodens.
    FRAU FLINKWERT?
    »Ja. Wen hast du sonst erwartet? Ist alles in Ordnung mit dir?«
    ÄH. JA. JA, ICH GLAUBE SCHON.
    »Ist bestimmt alles in Ordnung mit dir? Du hast Cyril geweckt.«
    JA. JA. ES WAR NUR… ICH DACHTE… JA.
    Frau Flinkwert blies die Kerze aus. Das erste blasse Rot der Morgendämmerung begann, die Nacht zu verdrängen.
    »Nun, wenn du ganz sicher bist… Da ich schon mal auf bin, bereite ich das Frühstück vor. Es gibt Haferbrei.«
    Bill Tür blieb im Heu liegen, bis er spürte, wie die Schwäche aus den Beinen wich. Dann erhob er sich, kletterte nach unten und schritt über den Hof zum

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