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Alles Sense

Alles Sense

Titel: Alles Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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erledigt, bevor damit in Zusammenhang stehende Zeremonien begannen – Rituale, die als eine ehrfürchtige Form der Abfallbeseitigung bezeichnet werden können.
    Dieses Zimmer hingegen wirkte wie das Grab eines jener Könige, die alles ins Jenseits mitnehmen wollten.
    Bill Tür saß mit den Händen auf den Knien und sah sich um.
    Zuerst einmal die Schmuckgegenstände: mehr Teekannen, als man es für möglich hielt; Porzellanhunde mit großen, starrenden Augen; seltsame Kuchenschalen; zahllose Statuetten und bunte Teller mit fröhlichen Botschaften wie zum Beispiel Ein Souvenir aus Quirm, Glück und langes Leben. Diese Objekte standen auf allen ebenen Flächen, und zwar in einer Ordnung uneingeschränkter Demokratie: Ein alter und recht wertvoller silberner Kerzenhalter fand direkt neben einem von mehreren Porzellanhunden Platz – dieses Exemplar hatte einen Knochen im Maul, und seine Miene brachte so etwas wie schuldige Dummheit zum Ausdruck.
    Bilder verbargen die Wände. Die meisten von ihnen zeigten graubraune Töne und deprimiert wirkendes Vieh in nebligen Moorlandschaften.
    Auch die Möbel waren fast versteckt – unter den vielen Schmuckgegenständen. Zwei Stühle ächzten unter dem Gewicht der Sofaschoner, die sich dort im Lauf der Jahre angesammelt hatten, und die übrigen Einrichtungsgegenstände schienen allein den Zweck zu erfüllen, Zierobjekte zu tragen. Hier und dort standen kleine Tischchen. Auf dem Boden lagen winzige Läufer – allem Anschein nach hatte jemand großen Gefallen daran gefunden, winzige Läufer zu knüpfen. Und dann der Geruch…
    Es roch nach endlos langweiligen Nachmittagen.
    Auf einer Anrichte bemerkte Bill zwei kleine Holztruhen neben einer großen – vielleicht die Schatzkisten, von denen die Leute in der Taverne gesprochen hatten.
    Etwas tickte.
    Eine Uhr hing an der Wand. Irgend jemand mußte einmal geglaubt haben, es sei lustig, eine Uhr so zu konstruieren, daß sie einer Eule ähnelte. Wenn das Pendel von einer Seite zur anderen schwang, bewegten sich die Augen der Eule – wer an akutem Unterhaltungsmangel litt, mochte so etwas für amüsant halten. Wenn man zu lange den Blick darauf richtete, bekamen die eigenen Augen Mitleid und schwenkten ebenfalls hin und her.
    Frau Flinkwert schlurfte mit einem Tablett herein und entfaltete hektische Aktivität. Sie begann mit der alchimistisch anmutenden Zeremonie des Teeservierens: Man gieße heißes Wasser in die Tassen; man lege Gebäck und Plätzchen auf Teller; man rücke die Zuckerzange zurecht…
    Die alte Dame lehnte sich zurück. »Nun…«, verkündete sie so, als hätte sie sich bereits zwanzig Minuten lang entspannt. »Ist das nicht nett?« Sie klang ein wenig atemlos.
    JA, FRAU FLINKWERT.
    »In der letzten Zeit habe ich selten Gelegenheit, den Salon zu benutzen.«
    JA?
    »Ich habe dieses Zimmer praktisch nicht mehr betreten, seit ich meinen Vater verloren habe.«
    Einige Sekunden lang fragte sich Bill Tür, ob Frau Flinkwert Herrn Flinkwert im Salon verloren hatte, vielleicht irgendwo zwischen den vielen Schmuckgegenständen. Dann entsann er sich an die manchmal recht eigenartige Ausdrucksweise der Menschen.
    AH.
    »Er saß immer dort, wo du jetzt sitzt. Und die meiste Zeit über las er im Almanach.«
    Bill Tür suchte in seinem Gedächtnis.
    EIN HOCHGEWACHSENER MANN? vermutete er. MIT SCHNURRBART? FEHLTE IHM DIE SPITZE DES KLEINEN FINGERS DER LINKEN HAND?
    Frau Flinkwert starrte ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg an.
    »Du kanntest ihn?« fragte sie.
    ICH GLAUBE, ICH BIN IHM EINMAL BEGEGNET.
    »Er hat dich nie erwähnt«, betonte Frau Flinkwert. »Zumindest deinen Namen nicht. Er hat nie von einem Bill Tür gesprochen.«
    DAS ÜBERRASCHT MICH NICHT, sagte Bill Tür langsam.
    »Schon gut. Auch mein Vater hat ab und zu ein bißchen geschmuggelt. Tja, dies ist keine sehr große Farm. Ich meine, von einem ›Anwesen‹ kann wohl kaum die Rede sein. Man braucht schon einen Nebenverdienst. Mein Vater meinte immer, günstige Gelegenheiten seien dazu da, um genutzt zu werden. Ich habe dich beobachtet. Und ich nehme an, du bist in der gleichen Branche wie er tätig gewesen.«
    Bill Tür dachte angestrengt nach.
    ALLGEMEINER TRANSPORT, sagte er.
    »Das klingt richtig, ja. Hast du eine Familie, Bill?«
    ICH HABE EINE TOCHTER.
    »Das freut mich.«
    LEIDER PFLEGEN WIR KEINEN KONTAKT MEHR MITEINANDER.
    »Wie schade«, kommentierte Frau Flinkwert. Es schien von Herzen zu kommen. »Früher hatten wir hier viel Spaß. Ich meine, als

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