Alles über Elfen (German Edition)
der Steppe, verborgene Hochtäler an zerklüfteten Gebirgshängen. Wer weiß schon, an wie vielen dieser Orte in Wahrheit Elfenstämme beheimatet sind, die keinen engeren Kontakt zu uns wünschen?
Was für die feudalistischen Elfen recht ist, muss für die tribalistischen billig sein: Auch bei diesem Modell könnte es sich letzten Endes um nicht viel mehr handeln als eine auf das Schöne Volk projizierte Wunschphantasie. In diesem Fall wäre das Klischee, das hier bedient wird, statt des guten Königs der edle Wilde – Karl Mays Winnetou als von den Sünden der Zivilisation unbeleckter Legolas sozusagen. In dieser Hinsicht besteht meines Erachtens eine gewisse geistige Verwandtschaft zu jenen Menschen der Viktorianik, für die die Elfen als Sinnbilder eines vergangenen Goldenen Zeitalters herhalten mussten, in denen die Welt »noch in Ordnung« war. Allerdings mit dem feinen, aber nicht ganz unerheblichen Unterschied, dass in der Viktorianik besagte Ordnung ein quasimittelalterliches Feudalsystem war und die Vertreter der Stammeskulturtheorien in einer ferneren Vergangenheit nach einem verloren gegangenen besseren Urzustand suchen.
Zwischen diesen beiden Extrempolen des Spektrums wurden in den vergangenen Jahrzehnten von Elfologen auch immer wieder gemäßigtere Positionen eingenommen, die die Kluft zwischen Elfen als Höflingen und Elfen als Stammesmitgliedern zu überbrücken versuchten:
Einige wissen von Elfenstämmen zu berichten, in denen Häuptlinge oder Schamanen (oder beides) die Funktion von weisen Herrschern einnehmen. [Plischke: Wobei diese Positionen unabhängig vom Geschlecht bekleidet werden können]
Andere berichten sowohl von Stämmen als auch von größeren sozialen Verbünden, die ihre die gesamte Gemeinschaft betreffenden Entscheidungen von Ältestenräten oder ähnlichen Institutionen ausdiskutieren lassen. [Plischke: Eine kurze Anmerkung meinerseits: Jene Elfologen, die das Schöne Volk als eine Parallelgesellschaft beurteilen – in dem Sinne, dass sie sich neben unserer eigenen fortentwickelt –, gehen davon aus, dass es unter den Elfen mittlerweile auch parlamentarische Demokratien beziehungsweise Monarchien sowie Räterepubliken und all die vielen »modernen« Staatsformen gibt, die sich unter uns Menschen herausgebildet haben. Christiansen: Und gleich behaupten Sie auch noch, jede einzelne von denen würde wesentlich besser funktionieren als bei uns – sogar ein real existierender Elfensozialismus! Plischke: Legen Sie mir doch nicht ständig Ihre Worte in den Mund. Ich kann den komischen Geschmack nämlich gar nicht leiden]
Wiederum andere wissen von Elfengemeinschaften, in denen das Amt des Herrschers regelmäßig von einem Mitglied an ein anderes weitergegeben wird – mal je nach Jahreszeit, mal nach Ablauf einer bestimmten Frist (wie etwa einem Mondjahr) oder nach einer konkreten Zahl von Entscheidungen, die der Amtsinhaber getroffen hat.
Bei all diesen spezifischen Betrachtungen gilt natürlich das Gleiche wie für alle Aussagen über das Schöne Volk: Es ist eine gewisse Vorsicht dahingehend angebracht, ob wir nicht versehentlich Begriffe und Konzepte aus unserer eigenen Kultur auf die Elfen übertragen, die auf deren Kultur letztlich gar nicht anwendbar sind. Dieses Problem stellt sich uns nicht nur hinsichtlich der sozialen Grundordnung der Elfen, sondern auch in anderen Bereichen wie etwa denen von Recht und Gesetz.
Wie es die Alten singen – Von den Gesetzen
der Elfen
In den letzten Jahren zeigt sich in unseren modernen Gesellschaften ein besorgniserregender Trend. Wir Menschen neigen aufgrund einer ständig komplexer werdenden Welt immer mehr dazu, folgender Prämisse hinterherzuhecheln: »Prinzipiell ist alles verboten; nur das, was nicht im Strafgesetzbuch steht, ist erlaubt.« Die Elfen verfahren da eher nach dem Motto: »Grundsätzlich ist alles erlaubt; Ausnahmen regelt das Strafgesetzbuch.«
Dieses Bild ist zugegebenermaßen ein bisschen schief, denn die Elfen haben offenbar keine Strafgesetzbücher. [Christiansen: Da muss ich dem Kollegen ausnahmsweise einmal recht geben. Die Idee eines Elfenanwalts oder Elfennotars, der dicke Wälzer studiert, um Streitigkeiten zu klären, ist ziemlich grotesk] Allerdings leben sie auch nicht in einer völligen Gesetzlosigkeit. Allem Anschein nach kennen sie eine ganze Reihe von Geboten und Verboten, die in Form mündlicher Überlieferungen weitergegeben werden. Diese Inhalte tragen dabei oft das Gewand epischer Balladen, in
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