Alles über Elfen (German Edition)
gelebt?« – »Häuser.« Plischke: Heute spricht man von den Sidhe in Irland in ihrer Gesamtheit öfter auch als die Aos Sì, aber das ist wohl alles nur eine Frage der genauen Transkription, denn Aos Sì heißt letztlich nichts anderes als »Leute aus den Grabhügeln«. An dieser Stelle sei auf ihre sehr elfische Eigenschaft verwiesen, parallel zu uns Menschen in einer Zauberwelt zu existieren, wobei die Grenzen zu selbiger bisweilen erstaunlich durchlässig sind.]
Es wird Zeit, sich einen Vertreter der Sidhe einmal näher anzusehen. Ich habe mich für die Leanan Sidhe entschieden. Diese – ja, natürlich – wunderschöne Frau, die ihr Zuhause in einem Grabhügel hat, bietet eine interessante Spielart des altbekannten Motivs »Junge Elfe verliebt sich hoffnungslos in schönen Sterblichen, verliert darüber ihre ewige Jugend und führt dafür ein für ihr Volk sehr kurzes, aber umso erfüllteres Leben« (man könnte es auch das Arwen-Motiv nennen). Bei der Leanan Sidhe wird dies alles auf den Kopf gestellt: Der Jungspund, der ihr verfällt, muss sich keine großartigen Gedanken mehr um seine Altersvorsorge machen. Ihm ist nur eine kurze Lebenszeit beschieden, doch in dieser fungiert die Leanan Sidhe als eine Inspirationsquelle von echter Musenqualität, die ihn zu immer neuen Höchstleistungen anspornt. So lange, bis auf dieses »Höher, schneller, weiter« dann rasch der Absturz in Form eines jähen Dahinscheidens folgt. Eine kleine Warnung an alle Kreativen unter Ihnen, die in nächster Zeit eine Irlandreise planen: Überlegen Sie sich gut, wen Sie wann und wo küssen – und wenn’s irgendwie modrig nach Erde schmeckt, nehmen Sie am besten sofort die Beine in die Hand. Oder Sie bleiben, schaffen mit Unterstützung Ihrer Leanan Sidhe einen modernen Klassiker, der aber zugleich zu Ihrem Schwanengesang wird. Ihre Entscheidung …
Falls Sie generell mehr auf Männer stehen, ist vor dem Gancanagh Vorsicht angebracht. Als Gegenstück zur Leanan Sidhe sondert die Haut dieses Wesens angeblich eine Substanz ab, die dafür sorgt, dass man zu ihm in leidenschaftlicher und bedingungsloser Liebe entbrennt. [Plischke: Ein bisschen so wie bei jeder x-beliebigen Deodorantwerbung, die sich für besonders gelungen und innovativ hält.] Darüber hinaus wird man von diesem Sekret abhängig, was also bedeutet, dass man möglichst oft und großflächig Hautkontakt zum Gancanagh aufnehmen will – wofür sich natürlich Sexualakte besonders gut eignen. Auch hier also die Warnung für Irlandtouristen: Obacht, mit wem Sie sich einlassen! Der Legende nach erkennt man einen Gancanagh daran, dass er eine Tonpfeife mit sich führt, die er allerdings nie anzündet, weil man den irischen Feen andichtet, sie würden keinen Rauch vertragen. [Christiansen: Interessante Frage am Rande, die man später mal vielleicht klären könnte – rauchen Gandalf und Bilbo eigentlich in Elronds Haus oder andernorts, wo Elben wohnen?] In modernen Zeiten könnte dies heißen, dass Sie besonders auf Gestalten achten müssen, die diese neumodischen E-Zigaretten rauchen – gegen Wasserdampf haben Feen und Elfen meines Wissens nach keine besonderen Aversionen.
Ein weiterer Beweis, dass nicht alle Elfen und Feen, die einem im Wald begegnen können, automatisch für Frauen gehalten werden, ist der Ghillie Du . Dieser »Junge mit den dunklen Haaren« – so die ungefähre Übersetzung – gilt in Schottland als Schutzgeist des Waldes. Zu Kindern ist er zwar in der Regel freundlich, wobei seine Erscheinung gewiss auch dazu geeignet ist, dem einen oder anderen Kind einen gehörigen Schrecken einzujagen: Der Ghillie Du ist über und über von Laub und Zweigen bedeckt. Zum Glück – oder zum Pech für uns Elfologen – zeigt er sich nur sehr selten, und wenn, dann mit Vorliebe nachts und in der Nähe von Birken. [Christiansen: Wer lässt denn seine Kinder nachts allein im Wald herumstromern? Das ist doch ein Fall fürs Jugendamt! Plischke: Waren Sie nie in einem Zeltlager, Herr Kollege?] Wie sich das Wissen um Elfen und Feen bisweilen in unserer Welt an unerwarteten Orten manifestiert, zeigt sich am sogenannten Ghillie-Anzug. Zwar hört man oft die Erklärung, der Name dieses Tarnanzugs, der äußerlich einem Haufen Vegetation nachempfunden ist, rühre von schottischen Jagdaufsehern her, die diese Technik verwendet hätten, um sich an Wild anzupirschen. Ich gehe allerdings davon aus, dass der Ghillie Du dafür zumindest in Teilen Pate stand – denn
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