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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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Kommt Erik auch?«
    »Bestimmt«, sagte Nadja. Ihre Augen hellten sich auf, sie drehte sich zu Fanni. »Weißt du, dein Vater und Frau Fink haben eine Affäre.«
    Nadja lachte schallend. Verrückt – huh! Was für eine treffsichere Bemerkung. Unter ihrer kontrollierten Oberfläche war Sally starr vor Entsetzen, sie spürte den Schweiß in den Achseln, gleichzeitig hatte sie keine Ahnung, was sich Nadja bei solchen Vorstößen dachte. Schlechter Laune schien Nadja jedenfalls nicht. Ihr Gesichtsausdruck, als das Lachen wieder verebbt war, wirkte normal bis behaglich.
    »Ich freu mich auf heute Abend«, sagte sie und zog mit Fanni hinter sich wieder ab.
    Ganz belämmert ging Sally nach oben. Sie starrte für eine Weile gegen das Aquarium, und je mehr sie darüber nachdachte, desto sicherer wurde sie, dass Nadja misstrauisch sein musste. Nadja hatte Erik und Sally oft aufgezogen, wenn sie vor ihrer Nase harmlos flirteten, Sally hatte immer gedacht, dahinter stecke reine Biesterei. Dann war da noch Nadjas Gewohnheit, Sally mit Berichten von den vielen Geschenken zu überhäufen, die sie von Erik bekam, und dass Erik kein Make-up möge (das Sally immer trug), und dass er nichts auf gelockte Haare gebe, und dass sie, Nadja, noch immer die gleiche Figur habe wie vor der Geburt der Kinder. Und ähnlicher Scheiß. Das richtete sichimmer gegen Sally. Nadja war zweifellos seit längerer Zeit eifersüchtig, und sie hatte jede Menge Grund dazu. Was dabei schleierhaft blieb, war, warum Nadja ihren Mann so oft mit Sally zusammenbrachte, ihre faktische Komplizenschaft bei dem Ganzen war mysteriös. Sie fuhr Sally und Erik zu gemeinsamen Abendessen, sie fuhr die beiden in die Oper. Nadja machte den Chauffeur. Und Alfred mixte die Getränke.
    Sally rief nochmals Erik an, zum Glück konnte er reden. Sie berichtete, was vorgefallen war. Er lachte und versicherte, Nadja habe keinen blassen Schimmer, sie provoziere nur, das sei ihre Art, anderen ihre Zuneigung zu zeigen. Sally konnte nicht aufhören, sie hatte dieses überwältigende Gefühl von Furcht: Furcht vor Nadja, vor den Folgen oder davor, dass alles falsch war. Sie hatte das Gefühl, sie mische sich zu sehr in Eriks Leben ein, und dass sie Erik nicht anbinden dürfe mit Ernsthaftigkeit und Verantwortung, dann würden sie nur beide noch mehr gefangen. Und es gab keinen Weg, herauszufinden, was jetzt das Richtige war, man konnte noch ein Weilchen zwischen den Möglichkeiten lavieren und dann das eine oder andere tun. Aber nicht beides. Man konnte nicht vergleichen. Man hatte nur die Gewissheit, dass etwas geschehen musste. Das sagte sie. Und Erik redete auf sie ein, er besänftigte ihre Nachmittagsverzweiflung, es war das erste Mal, dass Sally in seiner Gegenwart den Kopf verlor.
    »Nadja mag dich«, sagte er freundlich. »Sie findet, du bist klüger als sie und sinnlicher, und deshalb setzt sie alles daran, wenigstens nicht langweilig zu sein.«
    »In dem Spiel ist sie mir weit voraus.«
    »Es ist ein Kinderspiel. Deins ist ein Erwachsenenspiel.«
    »Ich fühle mich nicht sehr erwachsen«, gab Sally zur Antwort. »Egal, was mir an Kindern auf den Wecker fällt, ich habe es selber eimerweise.«
    »Ist zu Hause alles in Ordnung?« fragte er.
    »Das Familienschiff schwimmt noch, überraschenderweise. Aber Emma macht mir schon Vorwürfe, weil ich am Abend so oft weg bin.«
    »Hättest du gern, dass wir uns weniger sehen?«
    Sie versuchte die Situation zu durchdenken, doch ohne auf mehr zu stoßen als die Erkenntnis, dass eingetreten war, was nicht hätte eintreten dürfen. Abseits von Zuneigung und Freude: Bei der Verliebtheit kam so viel an Auszehrung dazu.
    »Nein, auf keinen Fall«, sagte sie. »Nicht weniger!«
    »Was also?«
    »Dass wir uns nicht erwischen lassen«, sagte sie.
    »Davon gehe ich aus.«
    »Und wenn doch?« fragte sie.
    Die Leitung blieb eine Weile stumm.
    »Ein bisschen Ärger und saure Gesichter.«
    »Nichts weiter?«
    »Nichts weiter«, sagte er.
    »Weiß Gott, ich wünschte, du hast recht.«
    »Selbst wenn alles schieflaufen würde, was sollte passieren?« fragte er mit gleichbleibender Stimme. Sally sah ihrem Schildkrötenmännchen dabei zu, wie es unter die Wärmelampe krabbelte. Sie dachte nach, vermutlich hatte Erik recht.
    »Das heißt, ich muss nicht Arsen nehmen oder mich vor den Zug werfen?«
    »Du? Nein!«
    »Bist du sicher?« fragte sie zärtlich.
    »Das war in deinem früheren Leben.«
    »So ganz ungeschoren?«
    »Vermutlich würdest du eine Freundin

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