Alles über Sally
vieler Beinarbeit.«
Es folgte ein helles, leichtes Lachen.
»Alfred tut gut daran, sich ebenfalls zu hüten, schließlich, ich meine, er hat die Krampfadern ja schon.«
Nach diesen Worten musterte Nadja Sally, um zu sehen, ob die Parteinahme für Alfreds Stützstrumpf übelgenommen wurde. Im Stillen verfluchte Sally das Gefasel, kommentierte es aber nicht, nur, dass es so wichtig auch wieder nicht sei. Dann machte sich Schweigen breit. Eine Zeitlang saßen sie so da, bis abermals das Thema gewechselt wurde. Jeder hatte seine eigenen Gedanken für den internen Gebrauch, und nur ein Bruchteil davon wurde preisgegeben in einer verdaulich gemachten Version.
Nach dem Essen spazierten sie durch das Museumsquartier, drei Menschen in einer herbstlichen Stadtnacht, und wann immer sich die Gelegenheit bot, legte Erik seine Hand an Sallys Arsch. Nadja war ähnlich blind wie Alfred, so unglaublich! Andererseits, sie hatte am Hinterkopf halt auch keine Augen.
Sally redete lockerer, als ihr zumute war, sie hatte Angst, dass etwas vom verwirrenden Eindruck der Situation an ihrer Stimme haftete. Ihre Gedanken verschwammen immer mehr und rannten am Ende nur mehr hysterisch rauf und runter, immer die bittere und öde Linie entlang: Was mache ich da?! Sie konnte schwer glauben, was gerade passierte.Sie musste sich extrem zusammenreißen, sie war auf nervöse Art dankbar für die Dunkelheit (wie eine beute-beladene Diebin), und gleichzeitig – wie traurig – sah sie voraus, dass es nicht lange so weitergehen konnte. In absehbarer Zeit würden alle glücklicher sein ohne dieses Durcheinander.
Da auch Erik immer stiller wurde, schlug Sally vor, nach Hause zu gehen, sie müsse früh raus, die Schule. Niemand machte einen Einwand. Erik und Nadja begleiteten Sally zur U-Bahn, da war es kurz vor halb elf. Nadja forderte Erik auf, Sally zu küssen. Er sagte, er küsse keine anderen Frauen in Gegenwart seiner eigenen. Aber Nadja bestand darauf, also praktizierten sie den Standard-Backenschmatz, mit einer gewissen Ironie, ein bisschen selbstironisch, Sally gefiel die Art, wie Erik das machte. Und gute Nacht.
Sally setzte sich auf eine Bank, sie atmete tief durch und ließ zwei U-Bahn-Züge vorbeifahren, ohne die geringsten Anstalten zu machen mitzufahren. Sie dachte, bestimmt hat Erik jetzt auch mit Nadja Sex. – Wer könnte es ihm verübeln? – Ich nicht – allenfalls Nadja!
Besänftigt von dieser Logik erhob sich Sally, sie trat zu dem jetzt einfahrenden Zug und fuhr dorthin, wo sie erwartet wurde.
8
Das Anbiedern bei den Kindern war mehr als auffällig. Alfred ging sogar Emmas Unterwäsche umtauschen, die sie zu klein gekauft hatte, er ließ sich wirklich schikanieren. Die kleinen Dienstleistungen, die er im Gegenzug empfing, waren teuer erkauft. Vorhin hatte ihm Emma die Milch warm gemacht und ihm im Kännchen hingestellt. Sie legte es auf neue Jeans an, früh übt sich. Und Alfred hatte Gefallen daran, warum selber aktiv werden, wenn man Macht besitzt und sich bedienen lassen kann.
Später lag Alfred allein im Wohnzimmer, Emma föhnte im Bad ihre Haare. Sally räumte in der Küche auf, dabei beobachtete sie, wie Alfred gut zehn Minuten lang mit seinem Schwanz spielte. Er hatte die Hand manchmal in der Hose, meistens draußen, und es war eindeutig, dass er an sich herumwurstelte. Sally hatte so etwas noch nie bei ihm gesehen, obwohl sie schon manchmal gemeint hatte, es sich einzubilden. Also vielleicht doch richtig gesehen. Aber nicht am frühen Abend im Wohnzimmer! Höchst sonderbar. Sie überlegte, ob sie etwas sagen sollte, ließ es dann aber bleiben. Letztlich tat sie es ja selber oft, und die Kinder zweifellos auch.
Alfred ließ von sich ab, als ein Anruf aus dem Museum kam. Er ging mit dem Telefon hinaus auf die Terrasse, gut zu wissen, dass es auch in seinem Leben wieder Dinge gab, die nicht für jedermanns Ohren bestimmt waren. Sally warfroh um alles, was sie nicht zu hören bekam. Und weil es grad passte, probierte sie Erik zu erreichen. Seit einer Woche hatte sie ihn nicht mehr gesehen, telefonische Kontaktversuche schlugen seit Tagen fehl, auch diesmal landete sie in der Mailbox. Der hat neuerdings wohl Besseres zu tun.
Um herauszufinden, wo er umging, telefonierte sie mit Nadja. Neben den üblichen Alltagsdingen, die sie besprachen, skizzierte Sally die Situation in ihrer Ehe, sie hoffte, ihre Bekenntnisse würden ansteckend wirken, aber Nadja biss nicht an. Am Ende musste Sally den direkten Weg nehmen,
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