Alles Umsonst
und Spaten an der Wand. Wie gern würde sie im Frühjahr einen Garten anlegen! – Im Frühjahr?
Frau Hesse, die mal einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert hatte bei den Braunen Schwestern, bemerkte, daß Peter es im Halse hatte. Und sie sagte: «Komm mal her! »,sah ihm in den Hals, massierte ihm den Kehlkopf und gab ihm ein paar Tropfen. Und siehe da, am nächsten Morgen war alles wieder gut.
«Diese Frau kann wohl hexen», sagte das Tantchen. Daß sie dieTopfblumen umstellte in der Halle, die Kakteen ins Dunkle und irgendwelche dürren Zweige in ein Weckglas, die blühten dann auf ..., war ihr nicht recht. Und sie war kurz davor, alles wieder umzustellen, aber irgendwie sah es in der Tat so besser aus. Die dunkle Halle hatte ein freundlicheres Aussehen bekommen. Besonders, wenn die Sonne hineinschien.
Was den Katarrh anging, den sie Peter weggehext hatte – das war vielleicht gar nicht gut? Was sollte man nun Drygalski sagen, wenn der wieder Hitlerjungen suchte zum Helfen?
Katharina und die Lehrersfrau mochten sich. Sie setzten sich zusammen. Frau Hesse kriegte ihre gute Bluse aus dem Rucksack hervor und ihren Beiderwandrock, und Katharina steckte die silberne Brosche an, die sie aus Italien mitgebracht hatte. Es wurden Patiencen gelegt. Zuerst unten in der Halle, aber dann zogen sie hinauf in Katharinas Boudoir, und die Tür wurde abgeschlossen. In der Halle gingen dauernd Leute raus und rein, und alle ließen die Türen offenstehen. Hier war man ungestört. «Helga!» rief der Mann. «Wo steckst du denn?» Aber er rief vergeblich, da kam keine Antwort, sosehr er auch die Hände hinter die Ohren legte: Helga saß bei Frau von Globig hinter der verschlossenen Tür und spielte Karten. Und dann spielten sie auch bald nicht mehr, sondern sie erzählten sich das, was Frauen sich so erzählen, wenn sie beisammensitzen. – Katharina öffnete ihren Kleiderschrank, und Frau Hesse machte «Modenschau», der Plisseerock und all die Hüte. Katharina hätte gern ihr Geheimnis preisgegeben, es lag ihr auf der Zunge zu sagen: «Stellen Sie sich vor, in dieser Abseite hat ein Mann gelegen! Das Rosenspalier ist er heraufgeklettert», aber sie hütete sich, sie behielt es eisern für sich. Was sich hier ereignet hatte, mußte ein Geheimnis bleiben. Das würde man notfalls ins Grab mitnehmen müssen.
«Helga!», rief der Mann, «wo steckst du denn?» Es war ihm kalt! und das war doch bestimmt nicht gut ...
Auch die beiden Jungen waren nicht in Sicht, die trieben sich mal wieder bei den Fremdarbeitern herum. Er mußte also selbst aufstehen und den Stuhl näher an den Ofen heranrücken. Warum das Ding nicht zog, war ihm schleierhaft. Wenn er nun einen zweiten Schlaganfall kriegte, würde seine Frau schuld daran sein. In den Spiegel sah er, und er zog den Mund schief, wie das damals gewesen war, an dem harmlosen Sonntagmorgen! Mit seinen Schulkindern hatte er einmal einen steinzeitlichen Webstuhl gebaut. Darüber hatte sich der Schulrat anerkennend geäußert. Gott, wie viele Jahre war das nun schon wieder her? Alles war schon so lange her. Im Lehrerseminar, wie er damals mit seinen Kameraden des Nachts über die Mauer gestiegen war ... Es war Sommer gewesen, und die Mädchen hatten vor den Häusern gesessen. Mit denen rumgeflachst und nachts dann über die Mauer gestiegen. Damals hatte er sein Hütchen gern schräg aufgesetzt.
In der Küche wurde nicht gesungen. Die Mädchen waren still, taten schweigend ihre Arbeit. Als das Tantchen kam, um zu fragen, ob alles in Ordnung ist, drängte sich Vera an sie und fragte, ob sie sie mal sprechen könnte?
«Hier? jetzt gleich?» fragte das Tantchen. Und dann ging sie mit der so sehr reifen jungen Frau, die freiwillig aus der fernen Ukraine nach Deutschland gekommen war, um hier was zu erleben, weit weg von den Sonnenblumenfeldern ihrer Heimat, nach oben in ihr Zimmer und setzte sich in den Lehnsessel am Fenster.
«Was gibt’s?»
Vera weinte zunächst ausdauernd und sagte dann unter Händeringen: Sie kriege ein Kind ... Was soll sie bloß machen?
«Ein Kind?» sagte das Tantchen. «Wieso das denn? Und nun jetzt?» – Was gedächte sie zu tun? Eben das wollte Vera vom Tantchen wissen. Aber die wußte das ja auch nicht.
Es war nicht herauszubekommen, ob einer der Fremdarbeiter im Waldschlößchen der Urheber des Malheurs war, der Tscheche oder Marcello, der lustige Italiener? Oder gar Wladimir? – Nein, der biedere Pole schied aus. Der Tscheche? der guckte immer so
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