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Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur

Titel: Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Misik
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kommerzialisierten
     Marktzone: in der kommerziellen Sphäre hat sich, was sich nicht rechnet, ganz schnell erledigt, auch wenn es weiter notwendig
     und nützlich wäre. Die Sphäre des Öffentlichen bietet – mit den dazugehörigen Subventionen – die Möglichkeit, das zu hegen
     und zu pflegen, was für Qualität, Kultur- und Wissensproduktion gesellschaftlich wertvoll, aber privatwirtschaftlich nicht
     profitabel ist. Die öffentliche Sphäre ist insofern sogar nützlich für die kommerziellen Branchen: Sie fördert und produziert
     die Ressourcen, etwa an Bildung, Sozial- und Humankapital, die von den Marktunternehmen wie selbstverständlich vorhandene
     Rohstoffe in ihren Verwertungsprozess eingespeist werden. Das ist schließlich der Grund, warum gut funktionierende Wohlfahrtsstaaten
     mit hoher Staatsquote praktisch immer eine höhere Produktivität aufweisen und meist auch wettbewerbsfähiger sind als Staaten
     ohne fortgeschrittenes Wohlfahrtssystem. Öffentliche Einrichtungen bieten aber auch einen Raum, in dem sich die Bürger, ungeachtet
     ihres sonstigen Status, als Gleiche begegnen. Funktionierender öffentlicher Nahverkehr und städtische Bäder zu erschwinglichen
     Preisen garantieren, dass sie von Wohlhabenden und Ärmeren gemeinsam benutzt werden und diese zumindest teilweise über gemeinsame
     Erfahrungsräume verfügen – und dass begrenzte monetäre Verhältnisse nicht notwendig mit extrem eingeschränkten Lebenswelten
     einhergehen. Der soziale Wohnbau stellt sicher, dass Reiche und Arme wenigstens rudimentär »ähn liche « Lebensbedingungen haben – zumindest ein Dach über dem Kopf und Heizung im Winter. Das Gegenmodell |79| sind die Gesellschaften, in denen jeder für sein »Glück« verantwortlich ist. Sie versinnbildlichen sich in den »Gated Communities«
     der Reichen, die sich mit Mauern, hohen Zäunen und privatisierten Sicherheitsdiensten gegen die Welt der Anderen abschotten.
     Absurd ist es, in diesem Zusammenhang noch von »Gemein wesen « zu sprechen.
    Der Konsumkapitalismus macht die Welt hässlich. »Junk-Space«, nennt Rem Koolhaas in einem zornigen Manifest »die Summe unserer
     heutigen Architektur«: »Junk-Space ist das Ergebnis des Aufeinandertreffens von Rolltreppe und Klimatisierung, empfangen in
     einem Brutkasten aus Gipskartonplatten … Die Schönheit der Flughäfen, besonders nach jedem neuen Ausbau! Das Glitzern der
     Renovierungen! Die Vielfalt der Shopping Malls! Lassen Sie uns den
öffentlichen Raum
erforschen,
Spielkasinos
entdecken,
Themenparks
untersuchen. … Junk-Space ist additiv, schichtweise angeordnet und leichtgewichtig, zerstückelt …, ausersehen,
Warenzeichen
zu tragen …, er besteht nur aus Subsystemen ohne Konzept, aus verwaisten Partikeln auf der Suche nach einem Plan oder einem
     Muster …, völlig chaotisch oder erschreckend steril und perfekt, undeterminiert und zugleich überdeterminiert.« 84
     
    Womöglich kann man die Shopping Mall als die DNA unserer Zeit bezeichnen.

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    |80| 4. Künstler sollst Du sein!
    Wie Künstler und Bohemiens, die früher als Anti-Figuren zum berechnenden Wirtschaftsbürger galten, zum Ideal des modernen
     Arbeitnehmers wurden.
    Es ist noch gar nicht so lange her, da galt der Künstler als der Gegenentwurf zum Geschäftsmann. Die Künstlerexistenz mit
     ihrem Hang zum Exzess, intensiven Erlebnissen und Grenzgängertum wurde verstanden als Antithese zur kalten Rationalität des
     Wirtschaftslebens, zum berechnenden Krämergeist des Bourgeois. Der Geniekult eines Hugo von Hofmannsthal oder Stefan George
     war zuvorderst eine Strategie, sich vom Mittelmaß des Wirtschaftsbürgers abzugrenzen. Voller Ekel wandte sich, wer als Künstler
     etwas von sich hielt, von der »ökonomischen Klasse« mit ihrer Pfennigfuchsermentalität und ihrem Konformismus ab. In allen
     Spielarten der Avantgarden des zwanzigsten Jahrhunderts fand dies seine Wiederkehr. Kanonisch war die Formulierung der russischen
     Futuristen aus dem Jahr 1913, die proklamierten: »Nun ist es Zeit, dass die Kunst ins Leben eindringe.« Das war als Angriff
     auf das Diktat des Ökonomischen, auf die fade Rationalität der verwalteten Welt gemeint. »Kunst ins Leben« hieß: Kunst rein,
     die Routine des Erwerbslebens raus. Das Versprechen auf Kreativität, Intensität, Risiko – kurzum: »Leben« – galt seit jeher
     als Programm gegen die Entfremdung des Erwerbslebens. Nur folgerichtig, dass der Begriff »Leben« selbst mythisch

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