Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur
auch einmal als
leichte, lebenslustige, kreative Nation präsentieren, in der man nicht nur fleißig arbeitet, sondern auch noch monstermäßig
viel Spaß haben kann. Geheimwissen ist das übrigens längst nicht mehr: Kurse in »Branding Germany – Wie verkaufe ich Deutschland«,
kann man schon an manchen Fachhochschulen belegen, und »Branding Germany« wird jetzt auch vom Goethe-Institut als Aufgabe
gesehen, das sich zu diesem Zweck einen Marketingfachmann hält. Der übrigens präsentiert in seinen Powerpoint-Vorträgen über
Deutschland sein Land als hedonistisch, ausgelassen und tolerant, indem er grobkörnigen Schwarz-Weiß-Bildern von NSDAP-Paraden
aus den dreißiger Jahren bunte Fotos von der Berliner Love-Parade gegenüberstellt und auf »große deutsche Designer« verweist
– auf »Hugo Boss, Jil Sander, Joop«. Er befolgt haargenau die Ratschläge von Wally Olins für das Nationen-Branding.
Übrigens ist das Branding von Nationen nicht völlig |110| neu. Dass Menschenklumpen und ein Mix von Völkern und Stämmen, die meist zufällig auf einem Territorium lebten (und nicht
einmal das in jedem Fall), zu
einem
Volk mit
einem
Nationalcharakter und
einer
gemeinsamen Geschichte erklärt wurden, war stets Resultat einer narrativen Strategie. Nationen sind seit jeher »eingebildete
Gemeinschaften« 109 , die wurden, was sie sind, weil sich genügend Leute gegenseitig erzählten, dass es sie gäbe. Neu ist aber, dass die Adressaten
dieser Ansprache nicht mehr die Bürger der Nationen sind, die zu einer Gemeinschaft geformt werden sollen, sondern das Außen,
die Bürger
anderer
Nationen. Einfach deshalb, weil Nationenbranding heute eine ganz unmittelbare praktische und ökonomische Auswirkung hat –
für »ausländische Kapitalinvestitionen, Export und Tourismus«. Das ist eine kleine, aber entscheidende Veränderung. Olins:
»Jede Nation muss nun ihre individuelle Persönlichkeit, Kultur, Geschichte, ihre Werte promoten und in einer vielleicht idealisierten,
dafür aber leicht begreifbaren Idee zusammenfassen«. 110 War es früher eine beliebte und allgemein geübte Strategie, andere Länder und Kontinente zu überfallen und auszurauben, so
fährt man heute in der Regel besser, wenn man sich ein freundliches Image gibt und versucht, die eigene Volkswirtschaft durch
Handel oder indem man Investitionen und Touristen anlockt zu entwickeln. Denn mit Handel kann man sich Güter meist billiger
und effektiver sichern als mit Krieg, es sei denn, es handelt sich um seltene Rohstoffe, die sich technisch nicht einfach
vermehren oder substituieren lassen – Öl etwa. Bürger anderer Staaten sind heute keine Feinde mehr, sondern Konsumenten oder
Investoren. Feinde muss man schrecken, Konsumenten muss man betören und bezirzen. Das Image einer Nation hat also unmittelbare
Auswirkungen auf das Nationalprodukt, und deshalb geben Regierungen viel Geld für die |111| Arbeit am Image aus. Allzu teuer ist das übrigens gar nicht, denn Länder kommunizieren ohnehin andauernd mit ihren Bürgern
oder Bürgern anderer Länder. Sie senden Millionen von Botschaften täglich aus. Tourismuswerbung wird in jedem Fall gemacht,
Passkontrollen gibt es ohnedies, Polizisten tragen überall Uniformen, jedes Plakat hat eine bestimmte Typographie, Behördenbriefe
haben immer einen Briefkopf und ein Fußballnationalteam hat auch jedes Land – Staatsbranding bedeutet oft nur, dass all diese
Arten, eine Nation zu präsentieren, einem kohärenten Ziel unterworfen werden, also dass Geld, das ohnehin ausgegeben wird,
sinnvoller ausgegeben wird.
Ein Beispiel eines besonders gelungenen Re-Branding einer Nation ist Spanien. Spanien war Ende der 70er Jahre ein Land, das
sich gerade als letztes in Westeuropa von einer Diktatur befreit hatte, eine rückständige Gesellschaft mit vielen Bauern,
veralteter Industrie und kaum vorhandener Hightech. Wer vor 30 Jahren an Spanien dachte, dachte meist nicht an wunderbare
Strände und pulsierende Städte, sondern an holprige Autobahnen und die Garotte, mit der Francos Folterknechte die politischen
Gefangenen öffentlich erwürgten, und an die verlausten Gefängnisse, in die jugendliche Tramper aus Europa wanderten, wenn
sie mit Drogen erwischt wurden. Dass Spanien heute ein völlig anderes Image hat, ist nicht nur Resultat der erfolgreichen
Umwandlung zu einer Demokratie und der entschlossenen Investition in Zukunftsbranchen, sondern auch eines recht
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