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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright
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sie dachte: »Ach, du Scheiße!« Chaos. Das war das Angebot. Völlig besoffen nach Hause zu fahren, wenn nur ein Bein zu gebrauchen war. Erst totaler Hohn und Hass, und sich dann an ihrer Brust ausheulen, wenn sein Schwanz noch nass war. Ach, du Scheiße. Der Sex, als es schließlich dazu kam, ein zielloses Rumgemache um seinen Auswuchs herum, der traurig distanziert und, wie sie vermutete, vom Alkohol betäubt war.
    »Was machst du so?«, fragte er hinterher, nachdem er (doch noch irgendwie) gekommen war, als säße sie in einem Vorstellungsgespräch.
    »Musikbranche«, antwortete sie. »Ich arbeite mit Bands, die zu uns in die Stadt kommen.«

    Dazu sagte er nichts, nicht mal: »Mit welchen denn?« Und in der trägen Lücke seiner Überraschung schlief sie ein.
     
    Sie träumt von einem Jungen, der im Regenlicht eine steil abfallende Küstenstraße entlanggeht; aus den Bergen ergießt sich Wasser, das Meer brandet gegen die Klippen.
    Die Gummistiefel des Jungen sind abgelatscht, aber das ist noch das geringste Übel. Die Socken rutschen ihm von den Knöcheln, sodass sein Tritt schwer wird, der Stiefel schlappt und sich bei jedem Schritt seine nackten Waden zeigen. Sein Hemd spielt ins Zartlilafarbene und rutscht immer wieder hoch. Seine ausgebeulte Hose gibt einen klaffenden Streifen perlweiße Hüfte frei, und man kann den Gummizug seiner Unterhose sehen.
    Im Schlaf versucht sie zu lachen, doch der Junge ist nicht lustig drauf oder jedenfalls nicht lustig genug. Dennoch gibt’s in seiner Nähe etwas Lustiges – sie sucht danach, findet jedoch nichts als einen herrenlosen alten Kühlschrank, der mit geöffneter Tür im Graben liegt.
    Unter dem Hemd zeichnen sich die harten Brustwarzen des Jungen ab, oder sie weigern sich, hart zu werden, und der Traum geht weiter, bewegt sich von ihm weg, und es ist niemand mehr zu sehen, was beinahe komisch ist.
     
    Es war Nachmittag, als sie aufwachten. Er sagte, er sei in Tijuana gewesen, bei dem Gestank morgens auf dem Lokus hätte man kotzen können. Er erzählte ihr, einmal hätte er den Fluss Shenandoah in den Shenandoah-Bergen durchquert und in einer Stadt namens Shenandoah
übernachtet, und durchforstete dabei ihre Schallplattensammlung; hingekauert wie das Abbild eines wilden Knaben, wobei seine dünnen Arschknochen den Boden berührten. Er fragte, ob er ihre Zahnbürste benutzen dürfe, dann sprang er wieder unters Federbett zum Katerfick, der unerwartet gut war.
    Er sagte, eine Frau, mit der er in Amerika zusammen gewesen sei, habe einmal eine Abtreibung vorgenommen, aber er wisse nicht, ob das Kind von ihm gewesen sei. Dass man bei Ausländerinnen nie so recht wisse, ob das eigene Zeug haften bleibe. Doch es blieb haften. Sogar mehr als sonst. Sex war ein Fan der Benetton-Werbung.
    »Meinst du wirklich?«, fragte sie.
    »Kleine braune Babys«, antwortete er.
    »Bist du also jetzt wieder da?«, fragte sie. »Für immer zurück?«
    Er dachte darüber nach. Er sagte, er sei durch halb Amerika gefahren, habe auf die Tube gedrückt, bis der Tank leer gewesen und er in einem Ort namens Dewey, Wisconsin, gestrandet sei. Er sei ausgestiegen, habe die Leute auf dem Bürgersteig angesehen und sich gefragt, was zum Teufel sie hier verloren hatten. Vielleicht war’s Liebe. Sie verliebten sich und wunderten sich darüber – über die Tatsache, dass All Das in Dewey, Wisconsin, passieren konnte.
    »Und?«
    »Kein Wunder, dass sie sich gegenseitig abknallen«, sagte er und schwang sich auf die Bettkante.
    Sie wusste, dass er dabei war, zu gehen. Er stand neben dem Schminktisch und stocherte mit dem Finger in dem
Körbchen mit Mascara und Lipliner herum. Er streckte sich, um einen bemalten mexikanischen Gürtel zu betasten, und im Spiegel wurde seine Achselhöhle sichtbar.
    Sie sagte: »Ich glaube nicht, dass du je in Amerika gewesen bist.«
    »Und ob ich da gewesen bin«, erwiderte er.
    Dann sah er sie an und schien es sich anders zu überlegen.
    »Nein«, sagte er. Er war dageblieben. Hatte sogar eine Weile am Arsch der Welt gelebt, in Buttfuck, Wisconsin, und beim Sicherheitsdienst der Zeche am Ort gearbeitet. Zwei alte Kerle, ein großer Italiener namens Alfie und er; die ganze Nacht hätten sie in Pornoheften geblättert und vor Monitoren gesessen, auf denen im verrückten Grün der Infrarotkameras die Betriebsanlage zu sehen gewesen sei. Stets sei einer der Männer auf Kontrollgang gewesen – man habe sehen können, wie das Licht der Taschenlampe einen Monitor verließ

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