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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright
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noch gab.

    Damals war es jedoch die zufällige Übereinstimmung gewesen, die sie stutzig machte. Es ging nicht um Sex oder Untreue, es ging um Blumen, die in ein Grab fielen. Es ging um rote oder weiße Rosen. Es ging um Leben und Tod. Sie musste es einfach tun.
    Dabei wusste sie gar nicht, wie so eine Verführung ablief. Wer ergriff die Initiative? Wer gab sich sittsam? War es was für drei Nächte oder nur eine halbe? Und wäre sie danach für immer zu flehentlichem Verlangen verdammt, würde sie, außerstande, die Schwelle zu seinem Büro zu überschreiten, draußen vor der Tür im Regen stehen müssen?
    Sie ließ ihn zurück, um sich zu duschen und sich umzuziehen, und zum Abendessen kam sie wieder herunter und flirtete wie verrückt bei gedünstetem Wildlachs. Ihre Mutter wäre stolz auf sie gewesen. Eigentlich blieb ihr gar nichts anderes übrig – sie konnte kaum reden, da mochte sie ebenso gut geziert lächeln. Es war unerträglich. Um halb eins flüchtete sie mit einem kurzen »Gute Nacht« aus der Bar und lag in der Dunkelheit ihres Zimmers stundenlang wach.
    Sie dachte an Tom. Irgendwann vor dem Morgengrauen stand sie auf und sah in den Spiegel. Der zeigte ihr einen ganz anderen Körper. Der Kummer hatte sie ausgemergelt.
    Am Morgen rief sie von der Rezeption aus in Phils Zimmer an, und er stieg zu ihr ins Auto, die Haare noch feucht vom Duschen. Sie fuhren zu einem größeren, billigeren Hotel in der Stadt, wo sie den Tagungsraum aufsuchten und ihre Sprüche klopften. Darin waren sie gut.
Danach mussten sie noch den ganzen Nachmittag hinter sich bringen, bevor es dunkel wurde und sich erneut die Frage stellte: »Sex, ja oder nein?« Phil schien diese Planerei – das Intime daran – zu amüsieren, und als sie wieder in ihrem eigenen Hotel waren, schlug er vor, eine Weile getrennte Wege zu gehen. Wozu? Catherine mietete sich ein Pferd und ritt einen Pfad hinter dem Hotel entlang, der in ein Dickicht hoch über den berühmten Seen führte. Sie sah sie unter sich liegen, grün oder grau, je nachdem, wie die Wolken über das Wasser jagten. Sie blickte zum Himmel auf, hinüber zum Licht und zu den von Flechten überzogenen kleinen Eichen mit ihren verkümmerten, trockenen Ästen. Die Mähne ihres Pferdes fühlte sich dicht an, wie elektrisch geladen. Sie nahm die Zügel auf und kehrte um ins Hotel.
    Um fünf trafen sie sich auf einen Drink. Zu dem Zeitpunkt brachte Catherine keinen Ton mehr heraus. Das war in Ordnung. Phil erzählte von sich – von seiner Scrambler, seiner Reise nach Mexiko, seinem Lehrer mit dem Lederriemen. Er war wahnsinnig interessant. Doch jedes Mal, wenn sie den Mund öffnete, starrte er sie nur an. Warum musste sie immer nur alles so verkomplizieren? Irgendetwas musste geschehen, bevor sie Sex miteinander hatten, etwas Persönliches, aber sie wusste nicht, was.
    »Mögen Sie noch einen?«, fragte er und schwenkte sein leeres Glas.
    »Ja«, sagte Catherine. »Ich glaube, ja. Meine Mutter ist gerade gestorben.«
    Er hielt inne.
    »Das tut mir aber leid«, sagte er.

    »Na ja, ich hab ›gerade‹ gesagt, es ist aber schon eine Weile her.«
    »Verstehe.« »Manchmal geht es einem näher, das ist alles. Irgendwie überkommt es einen.«
    »Ja«, antwortete er. »Ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen.«
    Möglicherweise war das das Anstößigste, was sie je gesagt hatte.
     
    Während des Abendessens wurde ihr bewusst, dass er versuchte, Eindruck zu schinden. Deshalb sollte sie ihm zuhören und schweigen. Das hatte ihr ihre Mutter beigebracht – sie sei nicht dazu da, ihn zu beeindrucken, sondern umgekehrt. Also lächelte sie, um zu zeigen, wie beeindruckt sie war, und versuchte, nicht über den Ausdruck in seinen Augen oder über das genaue Gewicht seines Schwanzes in ihrer Hand nachzudenken. Sie wusste, wenn es heute Nacht nicht passieren würde, könnte die ganze Situation unangenehm werden, und so plante sie ihr Vorgehen und nutzte den Moment, als sie die Stühle vom Tisch rückten, um einen Spaziergang im Garten hinter dem Hotel vorzuschlagen. Er sah sie an und lächelte fast. Braves Mädchen, schien er sagen zu wollen. Gut gemacht.
    Sie gingen hinaus ins Mondlicht und schlenderten in präkoitalem Schweigen die von gestutzten Buchsbaumhecken gesäumten Wege entlang. Einige der Rosen blühten bereits, weiß und grau zeichneten sie sich vor dem Schwarz der Hecken ab. Eine Reihe von Laternen wies ihnen den Weg und warf seichte Lachen Grün.

    Es war Mai. Der Mittelweg war von

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