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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright
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Bett, trug grünen Lidschatten auf und sagte: »Dies sind die Dinge, die ich bereue: Ich habe nie mit einem Franzosen Sex gehabt. Ich habe nie mit diesem kleinen Mistkerl geschlafen – wie heißt er gleich? -, der stinkreich geworden ist. Ich hatte nicht genügend Freude an euch
Mädels, als ihr noch zu jung wart, um mein Leben zu verpfuschen. Ich ärgere mich über all die Diäten. Ärgere mich schwarz darüber. Was noch? Nichts. Ich hasse den Geschmack von Kaviar.«
    Zwei Wochen lang lief Catherine mit verständnisvollen Krankenschwestern und murmelnden Freundinnen die Korridore auf und ab und gab nicht ihrem obszönen Drang nach, zu sagen: »Sie muss ja wohl bald sterben. Im Mai fahre ich nach Killarney.«
    Schließlich starb ihre Mutter tatsächlich, und Catherine blieb noch mehr als eine Woche Zeit.
    Sie warf zwölf weiße Rosen in das offene Grab, dann trat sie einen Schritt zurück von der lockeren Erde und der tiefen Grube. Als stünden sie auf Schlittschuhen, fasste Tom sie um die Taille und am Unterarm, und als sie sich von der aufgeschütteten Erde entfernte, überkam sie eine unglaubliche Leichtigkeit. Die Luft war schockierend: klar und durchdringend, und aus dem Erdreich stieg ein Geruch nach Frühsommer auf. In der Ferne mähte jemand den Friedhofsrasen. Es war Mai. Der Planet kreiste. Ihre Füße berührten noch den Boden.
     
    Den Koffer für Killarney packte sie immer wieder neu, vier- oder fünfmal. Sie musste Schwimmsachen mitnehmen; sie benötigte Kostüme und Abendgarderobe, Jeans, in denen sie vormittags herumsitzen konnte, sowie Reitzeug. Sie fragte sich, ob sie eigentlich Golf spielen konnte.
    »Hab ich schon mal Golf gespielt?«, rief sie Tom durch die offene Schlafzimmertür zu.

    »Nein«, antwortete er.
    »Ich bin mir sicher, ich hab schon mal Golf mit dir gespielt. Irgendwo hoch oben – Howth oder Bray Head.«
    »Mit mir nicht«, erwiderte Tom.
    Als sie sich abends im Badezimmer die Beine enthaarte, kam er herein, zuckte zusammen und verschwand wieder. Am Morgen schleppte er den übergroßen Koffer zum Auto, küsste sie auf die Stirn und sagte: »Erhol dich. Viel Spaß.«
     
    Bei dem Hotel handelte es sich um ein großes altes Landhaus. Catherine fühlte sich wie ein anderer Mensch, als sie die Granitstufen hinaufschritt: Sie fühlte sich wie jemand, der gern in Hotels abstieg. Nirgendwo war ein Stück Chintz zu sehen, stattdessen Schiefer, warmes Holz und Morgenmäntel aus Waffelpikee.
    Von dem Telefon neben ihrem Bett rief sie in Phils Zimmer an. Als er den Hörer abnahm, hörte sie, wie er es sich bequem machte.
    »So. Sie sind also gekommen.« Danach schien er eine Zeit lang nicht auflegen zu wollen.
    Sie trafen sich im Foyer und bestellten Kaffee.
    »Nein«, sagte er. »Was soll’s! Es ist nach vier, wir könnten einen Gin Tonic oder ein Bier trinken, irgendwas Spritziges. Wie wär’s mit Champagner? Machen Sie’s auch im Glas?«
    Die Kellnerin errötete. Catherine fand, dass er sich unmöglich aufführte, bis er sich wieder ihr widmete und fragte: »Sekt?«
    Er wollte nicht die Kellnerin.

    Das war die Wahrheit. Sehr plötzlich und ganz dringend wollte Phil Brogan etwas mit ihr anfangen, mit Catherine Maguire, der Hinterbliebenen. Oder, angesichts der Tatsache, dass dies ein Hotel und kein Büroschrank war, ganz dringend und sehr langsam. Sie spürte, wie ein Kichern in ihr aufstieg, aber er hielt ihrem Blick stand und sah nicht weg. In der Hose dieses Typen gab es nichts, das auf einen Scherz positiv reagieren würde. Das also war es, was all die pudelnassen Frauen kannten. Diesen Imperativ. Diese Falle.
    »Ein Gin Tonic ist genau das Richtige«, sagte sie.
    Furchtbar, so freudlos zu sein, dachte sie und fragte sich, ob sie wohl in seinem Zimmer landen oder ob sie es in ihrem tun würden.
    Phil zückte sein Mobiltelefon und stellte es mit schwungvoller Gebärde aus.
    »Moment. Tut mir leid. Ein letzter Anruf.«
    Er rief eine Floristin an. Wegen der Blumen, die er für seine Mutter bestellt hatte? Er hatte es sich anders überlegt.
    »Keine Orchidee – Rosen. Zwölf. Rot. Genau. ›Für meine über alles geliebte Mutter zum Geburtstag.‹«
    Was für ein Romantiker.
    Als sie später darüber nachdachte, war dieser Anruf für sie der seltsamste Augenblick der gesamten drei Tage – sein hilfloses Bedürfnis, einen Text für eine Grußkarte aufzusetzen. Er liebte seine Mutter. Kein Wunder, dass er noch unverheiratet war.
    Catherine hätte nicht gedacht, dass es solche Männer

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