Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
keinerlei Anleitungen braucht, wie ich als Vorgesetzter sie ihm geben könnte. Der Gedanke, ich könnte Ihnen irgendwie Anlaß gegeben haben zu glauben, unser Briefwechsel sei eine Belastung für mich und müsse darum ein Ende haben, bekümmert mich. Wenn ich Ihnen in irgendeiner Weise helfen kann, und sei es nur, indem ich mich als eine Art Resonanzboden anbiete, dann gestatten Sie mir das bitte. Obwohl ich weiß, daß die Erinnerung an die frühere Verbindung mit meiner Familie für Sie schmerzlich sein muß, kann ich sie nicht vergessen, und es beruhigt mein Gewissen als Angehöriger dieser Familie, Ihnen zu helfen.
Immer Ihr Freund
Phillip Asher
Exeter
20. Februar 1915
Lieber Mr. Asher,
ich danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 15. Februar. In all diesen Wochen habe ich immer nur von mir geschrieben und mich nicht ein einziges Mal nach Ihrem neuen Leben erkundigt. Verzeihen Sie. Ich war, fürchte ich, zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um an andere zu denken. Auch brachte ich es nicht über mich zu fragen, wie Sie sich in dieser neuen Stellung zurechtfinden, bin ich doch noch heute der Auffassung, daß sie meinem Mann zugestanden hätte. Auch wenn sein Verhalten mir gegenüber in letzter Zeit äußerst unschön war und ich seine ungezügelte Wut zu spüren bekam, tut es mir für ihn leid um die verlorenen Möglichkeiten. Bitte berichten Sie mir von sich. Haben Sie sich in der Gill Street eingelebt?
Fänden Sie es nicht passender, mich Etna zu nennen, da doch der Schleier kultivierten Verhaltens schon vor so vielen Jahren gefallen ist? Sie haben mich ja schließlich damals, als wir mit Ihrem Bruder und Ihrem Vater zusammen Tennis spielten, auch als Etna kennengelernt.
In aller Aufrichtigkeit
Etna
14 Gill Street
3. März 1915
Liebe Etna,
nun haben Sie mich schon wieder an dieses schreckliche Tennismatch erinnert.
Ich freue mich über Ihr Angebot, Sie Etna zu nennen, und nehme es gern an. Danke auch für die Frage nach meinem Leben, das beruflich zwar zufriedenstellend ist, auf persönlicher Ebene jedoch ziemlich ereignislos. Aber ich glaube, das ist ganz gut so, da ich beinahe meine ganze Energie auf mein neues Amt verwenden muß. So gesehen, wohne ich angenehm in der Gill Street. Das Haus ist komfortabel eingerichtet und gut geführt, und die Köchin ist bemerkenswert tüchtig für eine Collegestadt (meine Köchin in New Haven war ein Desaster), ich kann mich also nicht beklagen.
Doch es fällt mir schwer, von meinem Leben zu berichten, wenn das Ihre in solchem Aufruhr ist. Die Abendessen, zu denen ich eingeladen bin, und das dürftige gesellschaftliche Leben, das Thrupp zu bieten hat (ebendavor hatte Ihr Mann mich gewarnt), verblassen zu Bedeutungslosigkeit im Vergleich mit dem Kampf, den Sie austragen.
Auf Empfehlung von Gerard Moxon habe ich in diesem Winter mit dem Skilaufen angefangen, ein bestenfalls komisches Unterfangen.
Herzlichst
Phillip
Exeter
9. März 1915
Lieber Phillip,
ich kann Ihnen nicht sagen, wie tief bekümmert und besorgt ich darüber bin, daß man meinen Sohn meinem Schutz entzogen hat. Ganz abgesehen von der Traurigkeit, die mich während des Tages so unendlich oft befällt – es ist in diesen Momenten, als würde ich aller Freude beraubt, um gleich darauf, wie bei einem Platzregen, mit Schmerz überschwemmt zu werden –, quält mich das Wissen, daß mein kleiner Nicodemus in der Obhut seines Vaters ist, der sich von so heftiger Gemütsart gezeigt hat und über unsere eheliche Situation so außer sich ist, daß ich fürchte, er wird bestenfalls ein zerstreuter Vater sein und schlimmstenfalls ein furchterregender. Ist das die Vergeltung dafür, daß ich es gewagt habe, hin und wieder den Trost des Alleinseins zu suchen? Eine schnelle und vernichtende Vergeltung, wenn es so ist, und meiner Ansicht nach ungleich viel grausamer als das Vergehen.
Ich werde deshalb mit einiger Beklommenheit nach Thrupp zurückkehren, um in der Nähe meines Sohnes sein zu können. Ich hoffe, man wird mir gestatten, ihn häufig und möglichst regelmäßig zu sehen, bis es mir gelingt, das Sorgerecht für ihn zurückzugewinnen. Ich kann Ihnen im Moment meine zukünftige Adresse nicht sagen, aber da ich Exeter noch vor Ende der Woche verlassen werde, ist es wohl am besten, Sie schreiben mir erst wieder, wenn Sie von mir gehört haben.
Herzlich,
Etna
20. April 1915
Liebster Phillip,
würden Sie so freundlich sein, sich am nächsten Donnerstag um zehn Uhr morgens auf dem
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