Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
rein als Berichterstatter mitteilen, kaum in der Verfassung ist, eine Anzahl junger Männer in einem Raum zu unterrichten. Ich habe ihn beurlaubt, damit er nach Exeter reisen kann, und habe eine längere Beurlaubung vorgeschlagen, die er ohne Zweifel verdient. Aber Ihr Gatte scheint ein sehr stolzer Mann zu sein, er hat dieses Angebot abgelehnt. Nach allem, was man hört, ist er in einem Zustand schwerer nervlicher Überreiztheit, der vielen seiner Kollegen und Freunde Sorge bereitet.
Ich weiß nicht, wie Ihre unglückliche Geschichte enden wird, aber ich bitte Sie inständig, darüber nachzudenken, ob Sie nicht mit Ihren Kindern nach Thrupp zurückkehren und mit Hilfe von Zeit und unter persönlichem Verzicht die eheliche Gemeinschaft wiederherstellen wollen, für die Sie sich einmal entschieden haben.
Ihr ergebener Freund
Phillip Asher
Exeter
3. Februar 1915
Lieber Mr. Asher,
Sie schreiben mir als Mann, nicht als Freund. Niemand braucht mir zu sagen, daß ich nach Thrupp zurückkehren sollte, um eine zerrüttete Ehe wiederherzustellen. Dieses Urteil kann ich mir selbst auferlegen. Ich hatte gehofft, Sie würden mir rein als Freund zu den ethischen Fragen, um die es geht, Orientierung geben.
Aufrichtig
Etna Bliss Van Tassel
14 Gill Street
7. Februar 1915
Liebe Mrs. Van Tassel,
meines Erachtens spricht vieles dafür, daß das eheliche Zusammenleben allgemein verbessert würde, wenn sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau die Möglichkeit hätten, sich an einen privaten Ort zurückzuziehen – allein –, zum Nachdenken über Fragen, die in der Hektik des täglichen Lebens zu kurz kommen.
Fragen von Recht und Unrecht jedoch können nur im Rahmen gesellschaftlicher Übereinkunft existieren, das heißt gewisser Regeln, auf die sich eine Gesellschaft geeinigt hat. In unserer Gesellschaft, so wie sie im Augenblick besteht, hat weder ein verheirateter Mann noch eine verheiratete Frau das Recht, eine eigene, getrennte Wohnung zu besitzen, von welcher der Ehepartner nichts weiß. Ich spreche hier nicht von den rechtlichen Aspekten einer solchen Konstellation (ich vermute, es ist nicht verboten, einen solchen Raum zu mieten oder zu kaufen), sondern ausschließlich von den moralischen. Ohne Vertrauen kann es keine Ehe geben, ein solches Geheimnis aber wäre eine zu große Belastung für das eheliche Vertrauen.
Ich befinde mich in einer heiklen Lage, Mrs. Van Tassel. Ich möchte Ihr Freund sein und Ihnen helfen, soweit mir das irgend möglich ist. Aber ich weiß so wenig über Ihre besondere Situation, nichts, was über die sichtbaren Auswirkungen auf Ihren Mann hinausgeht.
Wie ich höre, ist Ihr Sohn nach Thrupp zurückgekehrt, Sie und Ihre Tochter hingegen bleiben weiterhin fern. Die Anwesenheit Ihres Sohnes scheint Ihrem Gatten gutzutun. Es sieht so aus, als habe er, zumindest im Augenblick, seine innere Ausgeglichenheit zum großen Teil wiedererlangt.
Ihr
Phillip Asher
Exeter
11. Februar 1915
Lieber Mr. Asher,
ich danke Ihnen für die Mitteilung, daß es meinem Mann bessergeht. Doch diese Besserung seines Befindens wurde auf meine Kosten erzielt. Ich sehe mich jetzt in eine Auseinandersetzung um das Sorgerecht für meinen Sohn Nicodemus verwickelt, der kaum alt genug ist zu verstehen, warum man ihn von seiner Mutter getrennt hat. Theoretische Fragen über Rückzugsmöglichkeiten in der Ehe sind bedeutungslos geworden angesichts der sehr realen Sorgerechtsfrage, auf die ich mich jetzt mit all meinen geistigen Kräften und meinen Gebeten konzentriere.
Verzeihen Sie mir, daß ich Sie nicht über die Einzelheiten unserer Ehestreitigkeiten unterrichtet habe, und verzeihen Sie mir auch, daß ich nicht über die Kraft verfüge, es jetzt zu tun. Ich bin Ihnen dankbar für Ihr Verständnis und bedauere, daß ich Sie in diese schwierige Lage gebracht habe, in der Sie einerseits gewissermaßen der Vertraute der Ehefrau sind und andererseits der Vorgesetzte des Ehemanns. Aus dieser peinlichen Situation möchte ich Sie befreien. Mir ist jetzt klar, daß es aufs höchste unangemessen ist, Ihnen Briefe zu schreiben, wie ich es getan habe, darum werde ich, voll Dankbarkeit für Ihre Geduld und Fürsorge, nun damit aufhören.
Etna Bliss Van Tassel
14 Gill Street
15. Februar 1915
Liebe Mrs. Van Tassel
ich hoffe doch, daß ich über hinreichend körperliche und geistige Stärke verfüge, um einerseits Ihre Briefe lesen und andererseits der »Vorgesetzte« Ihres Mannes sein zu können, der im übrigen
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