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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Samtkleid mit einem Dekolleté, das einiges enthüllt, und sieht beinahe schön aus an diesem Nachmittag.
    Samuel, dessen Wangen vom Wetter und von froher Erwartung gerötet sind, begrüßt Etnas Mutter, dann Miriam und schließlich, als allen anderen Formalitäten Genüge getan ist, Etna, deren Wangen so rot sind wie die seinen. (Hätte Thomas, wäre er für Schwingungen der Liebe empfänglich gewesen, nicht etwas daran auffallen müssen, daß Miriam vor Etna begrüßt wurde? Nein, vielleicht nicht.) Thomas macht eine Bemerkung darüber, wie sehr Samuel gewiß seine Verlobte gerade während der Feiertage vermißt. Samuel stimmt höflich zu und sieht, wie Etnas schöne weiße Schultern kaum merklich zurückzucken.
    (Und wo ist Josiah Bass, Etnas Verlobter? Nicht da. Er ist einfach nicht da.)
    Wie wird Samuel es anstellen, diesen heiklen Abend zum Erfolg zu machen? Er hat nämlich ein Geschenk für Etna, das er ihr aber nicht im Beisein ihrer Mutter und Schwester überreichen kann, weil er diesen beiden nichts mitgebracht hat. Und er kann es ihr auch nicht unter Thomas’ Blicken überreichen, den eine solche Bevorzugung Etnas zweifellos stutzig machen würde. Er verfällt daher auf die Idee, einen Spaziergang anzuregen – beiläufig, höflich. Zuerst fordert er Mrs. Bliss auf und betet insgeheim darum, daß sie ablehnen wird. Das tut sie; es ist ihr zu kalt draußen. Etna hingegen ist sofort bereit, spricht davon, was für ein Vergnügen es sei, den Rauch aus den anderen Häusern aufsteigen zu sehen, unterwegs Weihnachtssängern zu begegnen. Miriam sagt, sie sei müde, und lehnt wunderbarerweise ab.
    Kaum fähig, seine Erleichterung zu verbergen, geht Samuel mit Etna ins Vestibül hinaus, wo sie sich, jeder sorgfältig den Blick des anderen meidend, warme Sachen überziehen. Beide fühlen sich in diesem Moment wie Verschwörer, aber keiner verrät etwas davon.
    Eine Weile gehen sie schweigend Seite an Seite – nicht den Häusern mit den warmen Feuern entgegen, sondern von ihnen weg. Sie kommen zu einem der vielen Sportplätze der Schule und bleiben am Rand des schneebedeckten Feldes stehen, das im Licht des Mondes liegt.
    »Etna«, sagt Samuel.
    Er gibt Etna das Päckchen. Sie hält es einen Moment in der behandschuhten Hand, bevor sie es öffnet. (Es tut mir weh, mir vorzustellen, daß ihr dieses Geschenk viel mehr bedeutet als das, welches ich ihr im Park des College überreichte, aber so ist es nun einmal.) Mit kältestarren Fingern zieht Etna etwas ungeschickt die Schleife auf. Das Silber blitzt im Mondlicht. Samuel ergreift Etnas Hand, streift den Handschuh ab und schiebt ihr das Armband über das Handgelenk, das beinahe so weiß ist wie der Mond. Er läßt ihre Hand nicht los.
    »Ich mußte dir etwas schenken«, sagt er.
    »Das kann ich nicht annehmen«, entgegnet sie.
    »Du mußt es annehmen. Du kannst es ja im geheimen tragen.«
    »Ich bin verlobt«, sagt Etna überflüssigerweise.
    »Ich auch«, antwortet Samuel.
    Dann küßt er Etna so (können wir, denke ich, mit Sicherheit annehmen), wie sie noch nie geküßt worden ist, ganz gewiß nicht von Josiah Bass, dem wir häßliche Zähne und einen leicht metallisch riechenden Atem geben wollen. Ashers Kuß löst bei Etna eine ihr bis dahin unbekannte körperliche Reaktion aus, und einen Moment lang versinkt die Welt um sie herum, alles wird bedeutungslos, nur Samuel existiert, zu dem sie sich unwiderstehlich hingezogen fühlt. Sie versteht nicht ganz, was da mit ihr geschieht (im Gegensatz zu Samuel), nennt daher die flatternde Erregung ihres Körpers und den rasenden Schlag ihres Herzens Liebe und schreibt diesen Gefühlen Unsterblichkeit zu. Schon phantasiert sie von Flucht und heimlicher Heirat und ist bereit, ihre Ehre zu opfern.
    Samuel erklärt ihr seine Liebe. Im Mondlicht sagt er ihr, daß er sie liebt. Er bittet sie um ein weiteres Stelldichein – ein heimliches diesmal – am Tag nach Weihnachten. Er habe in der Schule, die derzeit wegen der Ferien beinahe leer ist, eine kleine Wohnung.
    Etna willigt ein, ganz ruhig.
    Die Feiertage gehen vorüber. Etna und Samuel treffen sich wie geplant am 26. mittags um ein Uhr in seiner Wohnung. Etna legt ihren Mantel ab. Samuel schiebt den Ärmel ihres Kleids hinauf, und das Armband kommt zum Vorschein. Er küßt sie auf die Unterseite ihres Handgelenks. Etna schließt die Augen. Einen Moment stehen beide bewegungslos. Dann wird alle Vorsicht in den Wind geschlagen.
    (Die Einzelheiten von Etnas erstem

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