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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Payne-Street-Markt in Worthington mit mir zu treffen? Ich würde Ihnen gern etwas zeigen.
    E.VT.

 

 
    EINE EHE, DAS SIND IMMER ZWEI sich überschneidende Geschichten. Ich kann nur die meine erzählen. Was die Geschichte Etnas betrifft (die Geschichte Etnas und Phillips), so weiß ich darüber nur das, was den Briefen zu entnehmen ist, die ich in Etnas Kuchenkasten aus Blech gefunden habe. Ich hefte die Briefe hier an, mit einem gewissen Widerstreben nicht nur wegen ihres (für mich bestürzenden) Inhalts, sondern auch, weil mir das schmale, griffige kleine Paket gefiel, das mein in Leder gebundenes Tagebuch abgab, als ließe sich zwischen seinen mit kunstvollem Prägedruck verzierten Einbänden ein Leben einschließen.
    Etna war von Natur aus eine zurückhaltende Person, die nicht dazu neigte, über ihre Gefühle zu sprechen, und daher war kaum zu erwarten, daß sie mich über ihre Beziehung zu Phillip Asher unterrichten würde. Hätte ich nicht zufällig die Briefe Etnas und Ashers entdeckt (als ich aus reiner Nervosität mit einer Hand an der Kuchendose herumspielte und dabei auf den kleinen Schnappriegel des Türchens drückte, so daß dieses aufsprang), so hätte ich vielleicht nie von dieser Korrespondenz erfahren, denn sie wäre mit ziemlicher Sicherheit dem Feuer zum Opfer gefallen. Ich kann nicht behaupten, daß sich mir durch die Briefe das Geheimnis aufklärte, das meine Frau für mich war, aber sie gaben mir immerhin Antwort auf einige Fragen.
    Aus Etnas Schreiben vom 22. Oktober erfuhr ich, daß sie früher einmal mit einem Mr. Bass aus Brockton verlobt war, die Verlobung jedoch gelöst wurde. Es ist erstaunlich, daß mir das nie zu Ohren kam, daß weder William Bliss es mir, in aller Arglosigkeit, erzählte, noch Keep, weniger arglos, versuchte, mich mit dieser Neuigkeit zu verletzen (mir einen Stich zu versetzen). Eine Verlobung war damals eine ernste Angelegenheit, beinahe so schwierig zu lösen wie eine Ehe. Ich kann nur vermuten, daß William Bliss, als er sah, wie ich bei der Nachricht von Etnas Abreise nach Exeter die Fassung verlor, es für das klügste hielt, mich nicht mit Geschichten zu belasten, die zu erzählen ohnehin nicht seine Aufgabe war. Ja, es kann gut sein, daß sowohl Bliss als auch Keep glaubten, Etna hätte die Angelegenheit bereits mit mir besprochen. Die meisten Frauen hätten das getan. Aber Etna war, wie wir gesehen haben, nicht wie die meisten Frauen. Etna war eine Frau mit Geheimnissen.
    Wie habe ich reagiert, als mir die Beziehung zwischen Etna und Samuel Asher zur Kenntnis kam, die, wie der Briefwechsel deutlich verrät, eine leidenschaftliche Liebesaffäre war? Um ehrlich zu sein, die Entdeckung war nicht so quälend, wie ich, der ich immer wieder ein ausgeprägtes Talent zu leiden gezeigt habe, vielleicht erwartet hätte. Es war, ganz im Gegenteil, beinahe eine Erleichterung, denn irgendwie hatte ich es ja immer geahnt. Ich weiß noch, daß ich bereits an jenem Tag, als ich Etna kennenlernte, Mutmaßungen darüber anstellte, ob sie schon einen oder vielleicht sogar mehrere Liebhaber gehabt hätte. Eine Frau, die die Liebe kennt, besitzt eine gewisse Ausstrahlung, als wäre sie – wie soll ich sagen? Ich möchte nicht grob sein, aber plündern ist das einzige Wort, das mir hier einfällt, und ich halte es für durchaus zutreffend – als wäre sie geplündert worden. Etna war, wenn auch hundertmal mit ihrer Zustimmung, von Samuel Asher geplündert worden, an Leib und Seele. Ich werde nicht bei den Bildern verweilen, die bei dieser Vorstellung hervorgerufen werden; genüge es zu sagen, daß die Sinne eine Intelligenz besitzen, die dem bewußten Denken verwehrt ist, und daß meine Sinne in unserer mißlungenen Hochzeitsnacht bei meiner Braut sehr richtig mehr als nur eine frühere Entjungferung erkannten. Etna war wahrhaft geliebt worden.
    Ich werde nie etwas über die Art und die Dauer dieser Liebesbeziehung erfahren. Ich kann niemanden danach fragen – nicht Phillip Asher, der vielleicht ohnehin nicht viel darüber weiß (er war ja damals ein Junge von siebzehn Jahren); und ganz gewiß nicht Samuel Asher, der möglicherweise gar nicht mehr am Leben ist, während ich dies schreibe. Die einzigen Anhaltspunkte, die ich habe, sind Bemerkungen in den Briefen, wobei die Phillip Ashers aufschlußreicher sind als die Etnas.
    Etna versichert zwar, ihre Liebe sei echt gewesen, doch von Leidenschaft spricht Asher. »Die Wildheit der Liebe, die sich hinter dem Schleier

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