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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Scheinwerfer eingeschaltet, die die Fahrbahn erleuchteten, aber im übrigen fuhr ich wie ein Blinder durch eine Landschaft, die mir völlig fremd war. Doch einem müden Gaul ähnlich, der den heimatlichen Stall sucht, fand der Stevens-Duryea wie von selbst seinen Weg zu Moxons Haus. Ich parkte in der Einfahrt.
    Ein Dienstbote öffnete mir auf mein rasendes Klopfen.
    »Professor Van Tassel«, rief Jackson (ob das sein Vor- oder sein Nachname war, habe ich nie erfahren), »Professor Moxon ist nicht da. Er kommt erst am Donnerstag zurück.«
    »Ich warte auf ihn«, sagte ich.
    Ich ging in den Salon und legte mich auf dem Sofa nieder. Jackson war freundlich zu mir an diesem Abend, und dafür werde ich ihm immer dankbar sein. Er ließ mich schlafen, brachte mir Suppe, ließ mich weiterschlafen und stellte mir keine Fragen. Als ich schließlich am nächsten Morgen ziemlich spät aufstand, führte er mich ins Badezimmer, wo ich ein Bad nahm und mich rasierte. Zum Frühstück aß ich Eier und Toast und blieb danach eine Weile am Tisch sitzen. Ich dachte nichts, während ich dasaß; keine zusammenhängenden Gedanken bildeten sich in Moxons Haus. Nach einiger Zeit stand ich auf, ging zum Auto hinaus und fuhr weg.
    Ich weiß nicht, was an diesem Tag aus meinen Studenten wurde. Ich fuhr nicht zum College, sondern nach Hause. Alle, die ich liebte, waren fort. Mrs. Van Tassel sei weggefahren, berichtete eine aufgeregte Abigail. Nach Exeter. Sie habe die Kinder mitgenommen. Ich nickte, mich konnte nichts mehr überraschen. In den letzten vierundzwanzig Stunden war ich gezwungen worden, meine Kandidatur für ein Amt zurückzuziehen, das ich heiß erwünscht hatte, ich hatte entdeckt, daß meine Frau eine von mir getrennte Wohnung besaß, in die sie sich seit nahezu einem Jahr heimlich zurückzuziehen pflegte, und ich hatte erklärt, ich würde mich scheiden lassen. Nichts von alledem hätte ich noch in der vergangenen Woche auch nur im entferntesten für möglich gehalten.
    »Auf dem Frühstückstisch liegt ein Brief«, sagte Abigail.
    Ich öffnete den Umschlag, als enthielte er eine Rechnung, die ich auf keinen Fall zu bezahlen beabsichtigte.
    Lieber Nicholas ,
    ich bin mit den Kindern nach Exeter gefahren. Bitte folge mir nicht. Laß uns über die Dinge nachdenken, die wir einander gesagt haben.
    In Liebe,
    Deine Etna
    In Liebe meine Etna.
    Ich ging aus dem Speisezimmer und ließ den Brief im Flur auf den Boden fallen. Ich ging nach oben in mein Bett. Ich glaube, ich hatte noch keinen einzigen klaren Gedanken. Und so blieb es auch am nächsten Tag und am übernächsten. Ich erinnere mich an einen Telephonanruf vom College, man wollte wissen, ob ich krank sei. Ja, antwortete ich, ich würde in der nächsten Woche keine Seminare halten. Ich erinnere mich an einen Besuch von Moxon und ein bizarres Gespräch im Salon, stockend von meiner Seite, hektisch von seiner. Etna habe mich verlassen, sagte ich, worauf er in hellem Entsetzen und voller Mitleid mit den Armen wedelte. Behalten Sie den Wagen, sagte er, behalten Sie den Wagen, als könnte das helfen, den Schmerz über ein paar kopflose Worte zu lindern.
    In den Tagen, die folgten, wuchs mir ein Bart, und ich mußte mir vom Hausmädchen sagen lassen, es sei Zeit, mich zu rasieren. Ich aß häufig Käse und Ei, als wäre ich ins Kinderzimmer zurückgekehrt. Am Freitag wurde Phillip Asher in das Amt des Collegevorstands gewählt.
    Am Samstag fuhr ich nach Exeter und erinnerte mich jener Fahrt vor fünfzehn Jahren, als mein ganzes Leben sich um ein einziges Bestreben gedreht hatte. Unterwegs übte ich die Worte ein, die ich Etna sagen wollte.
    Denk nicht an Scheidung, würde ich sagen. Die Worte wurden in Wut gesprochen und verdienen nicht mehr Beachtung als die irren Reden eines Wahnsinnigen. Hör lieber auf den Mann, der seit fünfzehn Jahren dein Ehemann ist und Frau und Kinder zu Hause haben möchte. Ihr hättet das Haus nicht zu verlassen brauchen. Es kommt doch häufig vor, daß in der Hitze des Moments törichte Worte fallen. Eine Ehe muß doch stabil genug sein, um sie aufzufangen, ohne daß sie die Beziehung zerstören. Was die andere Sache betraf, die getrennte Wohnung, so würden wir darüber nach ihrer Rückkehr nach Thrupp sprechen. Ich würde vielleicht das College verlassen, könnte ich sagen. Ich würde vielleicht ein Buch schreiben.
    Aber Etna hatte andere Vorstellungen, die sie mich gleich bei meiner Ankunft wissen ließ.
    »Ich bin mit einer Scheidung einverstanden«,

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