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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Widerwillen auf und ging ohne ein Wort, noch ehe er sein Angebot, mich für ein Semester freizustellen, ausgesprochen hatte. Es war nichts als ein Trostpflaster für einen besiegten Rivalen, dachte ich angewidert, zu jener Zeit noch ohne eine Ahnung von seinem Briefwechsel mit meiner Frau. Ich wußte nur, daß er Etna früher einmal flüchtig begegnet war. Natürlich, sagte ich mir, hat er die Gerüchte über eine zerrüttete Ehe gehört. In seinen Augen war ich doppelt geschlagen, im Beruf wie in der Ehe.
    Eine Woche später kehrte ich nach Exeter zurück, nachdem ich samt meinem neu erstandenen schwarzen Ford beinahe von einem graubraunen Sturm verschluckt worden wäre. Etna wurde in den Salon gerufen. Das Zimmer schwamm in dem glanzlosen, stumpfen Licht schmutzigen Schnees. Sie war noch bleicher als zuvor und trug ein hellblaues Tageskleid, das die neue Kantigkeit ihres Körpers zeigte. Schon stellte ich mir vor, wie ich für sie sorgen, Mary Anweisung geben würde, sie mit gesundem Essen wieder aufzupäppeln. Meine Frau war drauf und dran, in Exeter zu verschwinden.
    Ich bemühte mich, ruhig und gefaßt zu bleiben. Ich bettelte nicht, und ich schmeichelte nicht, ich trug meine Argumente vor.
    Ich hätte eine unbesonnene Äußerung getan, sagte ich. Es sei die Pflicht einer Ehefrau, die kopflosen Reden eines vorübergehend geistesgestörten Ehemanns zu verzeihen. Jeder andere Mann hätte wahrscheinlich ähnliches gesagt, behauptete ich. Was das Häuschen angehe, so sei ich bereit, die Sache ruhiger zu betrachten, und ich sei sicher, wir könnten zu einer Vereinbarung kommen.
    »Welcher Art?« fragte sie und setzte sich in einen mit gelber Seide bespannten Sessel. Sie bewegte sich, als wären ihre Knochen zerbrechlich geworden, und ich bekam plötzlich Angst um meine Kinder. Ernährte Keep meine Familie nicht richtig?
    »Eine Vereinbarung eben«, sagte ich, obwohl ich in Wahrheit nicht weiter darüber nachgedacht hatte. Ich konnte überhaupt nicht an das Häuschen denken. Allein sein Anblick – sei es vor meinem inneren Auge oder in Wirklichkeit (denn ich war mehrmals dorthin gefahren, um es mir anzusehen, bei verschlossener Tür und davor zurückschreckend, ein Fenster einzuschlagen, da ich noch an eine Versöhnung glaubte) – genügte, um eine Flutwelle auszulösen, die jeden Gedanken in meinem Kopf ertränkte.
    Etna faltete ihre Hände im Schoß. »Du würdest bestimmen, wann ich das Haus aufsuchen darf«, sagte sie.
    »Nicht unbedingt«, widersprach ich vorsichtig.
    »Aber du würdest wissen wollen, wann ich hinfahre, wie lange ich bleibe und was genau ich dort tue«, sagte sie. »Wen ich dort vielleicht empfange.«
    Sie verträgt keine Einschränkung, dachte ich. Hat nie eine vertragen.
    »Wie geht es den Kindern?« fragte ich.
    »Es geht ihnen gut«, antwortete sie.
    »Ich möchte von ihnen hören. Ich möchte sie sehen.«
    »Sie sind nicht hier«, sagte sie.
    »Wo sind sie?«
    »Sie sind mit Miriam weggefahren. Auf Besuch zu Pippa in Massachusetts.«
    »Du kannst mir die Kinder nicht vorenthalten«, sagte ich scharf.
    »Nicholas«, entgegnete sie mit einem Anflug von Sorge, wie man sie von einer Ehefrau erwartet, »du bist nicht in der Verfassung, dich um Kinder zu kümmern, weder um deine eigenen noch um fremde.«
    »Bist du es denn?« konterte ich.
    »Ich habe Hilfe«, antwortete sie.
    » Warum , Etna?« Ich beugte mich vor. »Warum tust du das?«
    »Ich habe dir fünfzehn Jahre gegeben«, erwiderte sie.
    »Ich hätte dir mein ganzes Leben gegeben«, sagte ich.
    »Das sagst du«, entgegnete sie ruhig, »aber du bist nicht bereit, mir eine Stunde echter Freiheit zu geben.«
    Da begann ich doch zu betteln. »Etna. Bitte. Komm zurück. Um der Kinder willen. Sie wünschen sich doch nur, daß wir zusammen sind.«
    Ich sah, wie sie mit diesem alten Gefühl kämpfte – dem Mitleid. Und ich schäme mich, hier schreiben zu müssen, daß ich es einen Moment lang dankbar annehmen wollte.
    »Ich lasse mich scheiden«, sagte sie.
    »Aus welchen Gründen?« fragte ich, wütend jetzt.
    »Ich habe dich nie geliebt«, sagte sie, als wäre das genug.
    Und vielleicht war es das. Es war jedenfalls genug, um mich zum Schweigen zu bringen. Mit Mühe stand ich auf, meine Beine wie die eines uralten Mannes. »Alles weitere erledigen wir über Anwälte«, sagte ich heiser aus dem gähnenden Abgrund, in den meine Frau mich gestürzt hatte.
    »Ja.« Mehr sagte sie nicht.
    Irgendwie trugen meine Beine mich zur Tür. Ich ging.

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