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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Obsession. (Was, genau, ist eine Obsession? Mein abgegriffenes altes Lexikon sagt mir, daß es ein Zustand zwanghafter Beschäftigung mit einer fixen Idee oder einem unerwünschten Gefühl ist. Das Wort leitet sich natürlich vom lateinischen obsidere [Partizip Perfekt obsessus ] her und heißt besetzen ; das Stammwort ist sedere , sitzen. Nun, ich saß zwar nicht, aber ich stand. Unerschütterlich.) Manchmal nickte ich völlig erschöpft ein und merkte beim Erwachen, daß ich, an die weiße Holzschindelwand gelehnt, im Stehen geschlafen hatte.
    So ging das eine geraume Zeit und wäre vielleicht endlos so weitergegangen, hätte ich nicht eines Abends Anfang Mai, als ich mich dem Haus näherte, in der Auffahrt neben dem Landaulet einen fremden Ford stehen sehen.
    Zum erstenmal seit Wochen war ich mit einem Schlag hellwach. Zugleich wurde ich mir der Schwerarbeit meines Herzens bewußt, eines harten Klopfens, das mich veranlaßte, meine Hand auf die Brust zu drücken. Lautlos schlich ich mich zu meinem Lieblingsversteck (einem Fenster hinter dem Chinagrassessel, das oft in Dunkelheit gehüllt war) und spähte, die Faust fest auf die Brust gepreßt, ins Innere des Hauses.
    Phillip Asher saß seitlich an dem kleinen Tisch, einen Arm über die Rückenlehne des Stuhls geworfen. Mit der anderen Hand griff er gerade nach einer Teetasse. Er hatte die Beine lässig übereinandergeschlagen und wirkte so entspannt, als wäre er schon früher in diesem Haus gewesen, als wäre er schon oft hier empfangen worden. Das ließ auch die Tatsache vermuten, daß Clara drüben in der Ecke auf ihrer Flöte spielte, ohne sich um seine Anwesenheit zu kümmern. Neben dem gelegentlichen Murmeln der Stimmen (ich konnte nur selten einzelne Wörter ausmachen, es war in erster Linie ein Stummfilm, den ich mir da Abend für Abend ansah) hörte ich sie ihre Tonleitern üben. Etna saß auf dem Sofa und nähte, es sah aus, als wäre Phillip Asher ein Bruder oder Vetter, der auf einen Sprung vorbeigekommen war.
    Mein Blick schweifte zum Spülbecken, wo ich die Reste einer Mahlzeit bemerkte sowie Geschirr, das noch nicht gespült war. Ich versuchte, die Teller und das Besteck zu zählen, ich wollte wissen, ob Asher mit meiner Frau und meiner Tochter gegessen hatte.
    Hatte Etna mich belogen? Hatten sie und Asher schon die ganze Zeit über eine Affäre? (Es war ja kaum zu befürchten, daß ich das Haus bei Tag beobachten würde.) Hatte er sich den ganzen Nachmittag hier aufgehalten, während Clara in der Schule war, und war ausnahmsweise länger geblieben als sonst, weil er das Beisammensein mit einer fesselnden Frau und ihrem Kind genoß? Plötzlich kam mir ein entsetzlicher Gedanke: Hatte ich Etna mit meinen törichten Forderungen nach der Trennung Asher in die Arme getrieben? Ja, dachte ich, genau das hatte ich getan. Sobald Asher von der Trennung gehört hatte, war er zweifellos unter dem Vorwand, sich als Collegevorstand um mein Wohlergehen zu sorgen, zum Häuschen hinausgefahren, um die Angelegenheit mit Etna zu besprechen.
    An diesem Abend gelang es mir nur mit einem Höchstmaß an Selbstbeherrschung, nicht in dieses Haus zu stürmen, den Mann zu packen und ihn zur Tür hinauszuwerfen. Wie konnte er es wagen, sich in solcher Nähe zu meiner Tochter aufzuhalten! Wie konnte er es wagen, sich in meine Familie einzuschleichen!
    Asher trank wieder von seinem Tee, der längst kalt geworden sein mußte; ich beobachtete diese häusliche Idylle nun schon seit nahezu einer halben Stunde. Clara setzte ihre Flöte ab und stellte ihrer Mutter eine Frage. An Etnas freundlichem, aber entschiedenem Kopfschütteln erkannte ich, daß sie Claras Wunsch, früher mit dem Üben aufzuhören, abgelehnt hatte. Clara setzte mit trotziger Miene ihr Instrument erneut an, und ich vernahm wieder die gequälten Töne der Flöte. Ich beobachtete, wie meine Tochter auf wenig anmutige Art ihre Beine ausschüttelte, was ihre Mutter sogleich zu einem tadelnden Blick veranlaßte. Asher beugte sich auf seinem Stuhl vor, als wollte er einer seiner Bemerkungen in dem Gespräch, das er mit meiner Frau ( meiner Frau) führte, besonderen Nachdruck verleihen. Er saß mit auf die Knie gestützten Ellbogen und wirkte unverschämt ungezwungen. Ich fürchtete, die im kalten Abend dampfenden Atemwolken meiner Wut könnten im Fenster sichtbar sein.
    Um mich zu beruhigen, wandte ich mich ab. Ich blickte durch die hohen Tannen zu den Sternen hinauf und fragte mich, warum die Götter mich so schlecht

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