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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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auffallende Formulierungsähnlichkeiten gefunden habe.«
    Ich schwieg.
    »Tja, ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden, Van Tassel, ich fürchte, es geht hier um eine Art Plagiat.«
    Das Wort brannte mir in den Ohren. Der Mund wurde mir trocken. »Sir, Sie wollen doch nicht im Ernst unterstellen …«
    »Doch, ebendas, so leid es mir tut«, entgegnete er.
    »Das ist ausgeschlossen«, sagte ich.
    Fitch spielte mit seiner goldenen Uhrkette. »Die wörtliche Übereinstimmung gewisser Passagen ist – nun, sagen wir, frappierend.«
    »Aber das ist doch kein Verbrechen, Sir.«
    »Nein, wenn die Übereinstimmung zufällig ist, nicht.«
    »Das ist sie, Sir. Das ist sie. Sie wissen, ich habe einen tadellosen …«
    »Gewiß, gewiß, das ist wahr.«
    Fitch betrachtete mich eine geraume Zeit. Das Feuer im Kamin knackte plötzlich laut, und wir fuhren beide zusammen. Er rückte mit seinem Sessel wieder näher an den Schreibtisch heran und stützte sich mit den Ellbogen auf.
    »Ich gestehe, daß ich höchst überrascht bin«, sagte er. »Schließlich sind Sie ein Mann von außergewöhnlicher Disziplin.«
    »So ist es, Sir.«
    »Sie verfügen über eine wissenschaftliche Bildung, die weit über den Durchschnitt hinausgeht.«
    »Danke, Sir.«
    »Das wäre doch nicht nötig gewesen.«
    »Es war nicht nötig.«
    »Ja, hm.«
    Fitch musterte mich lange und eingehend, und ich zwang mich, den forschenden Blick zu erwidern.
    »Vielleicht möchten Sie Severences Monographie mitnehmen, um sich die betreffenden Stellen selbst anzusehen«, meinte er. »Es gibt da Wendungen, wie Sie sehen werden … hier, ich habe sie gekennzeichnet: ›Ein todgeweihter Mann, der in einer fernen Welt des Schmerzes lebte.‹ Und hier: ›… flüssiges, routiniertes und unbekümmertes Erzählen.‹ Muß ich noch mehr sagen?«
    Ich brauchte einige Sekunden, um Worte zu finden. »Aber, Sir, gewisse Wendungen, wie zum Beispiel ›wenn wir einräumen‹ oder ›wir haben nicht hinreichend berücksichtigt‹ oder auch ›auf den ersten Blick‹ sind doch Teil der geläufigen Rede.«
    »Gewiß, aber darum geht es hier nicht.«
    »Aber das Prinzip ist doch dasselbe!«
    Fitch drehte sich in seinem Sessel und blickte, mir nun fast den Rücken zuwendend, eine ganze Weile ins Feuer. Ich vermutete, daß er über sein Dilemma nachsann und im Begriff war, ein Urteil zu fällen. Verzweifelt suchte ich nach einem Thema, das ich ansprechen könnte, um ihn von dieser Geschichte abzulenken, aber in meinem Kopf ging alles drunter und drüber. Ich wünschte mir inbrünstig ein offenes Fenster, einen Schimmer Licht in diesem düsteren Zimmer. Die Stille war so tief, daß man das Ticken der Uhr über dem Kaminsims hörte.
    Nach einiger Zeit (einer quälenden Unendlichkeit, wie mir schien) drehte Fitch sich wieder herum.
    »Tja, Van Tassel.«
    »Sir?«
    Die Nervosität hatte meine Stimme peinlich in die Höhe getrieben. Ich räusperte mich.
    Fitch seufzte. Die Entscheidung war gefallen. »Ich möchte Sie nach so langer Zeit nicht verlieren«, sagte er. »Aber bei einem zweiten solchen Vorkommnis werde ich keine Wahl haben.«
    »Es hat nicht einmal ein erstes Vorkommnis gegeben!«
    »Sie sind sehr fest in Ihrer Haltung.«
    »Das muß ich sein. Es hat kein Verstoß stattgefunden.«
    »Ich werde Ihre Arbeit mit großer Aufmerksamkeit verfolgen müssen.«
    »Ich hoffe, das haben Sie immer schon getan«, sagte ich.
    »Wir lassen das jetzt«, erklärte er, während er sich auf einem Blatt Papier in der Akte eine kleine Notiz machte. Ich versuchte zu erkennen, was er geschrieben hatte, aber das war in dem abgedunkelten Zimmer unmöglich.
    »Gut, Sir.« Ich bemühte mich, meine doch beträchtliche Erleichterung zu verbergen (ganz zu schweigen von meinen zitternden Händen), indem ich die Arme verschränkte und mich erneut räusperte.
    Fitch faltete seine Hände unter der Nase und betrachtete mich eine Zeitlang schweigend. Von draußen hörte ich den Widerhall sich nähernder Schritte. »Wie ich höre, gehen Sie mit einem jungen Mädchen aus«, sagte er.
    »Sie ist kein junges Mädchen«, versetzte ich, durch den plötzlichen Themenwechsel aus dem Konzept gebracht. »Sie ist sechsundzwanzig.«
    »Manchmal nehmen Sie es wahrhaftig ungeheuer … genau, Van Tassel.«
    »Das will ich hoffen, Sir.«
    »Nun, ich kenne die junge Dame. Ich habe Etna Bliss bei einem Abendessen kennengelernt. Sie sind ein Glückspilz.«
    »Bei einem Abendessen?«
    »Ja. Es ist vielleicht – lassen Sie

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