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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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mich überlegen – drei Wochen her. Bliss hatte einige von uns zum Abendessen eingeladen.«
    Einige von uns ? Wer genau war das? Ich hätte es gern gewußt. Und warum hatte man mich ausgeschlossen? Der Gedanke quälte mich.
    »Eine gutaussehende Frau, Van Tassel«, sagte er.
    »Danke«, erwiderte ich.
    Fitch stand auf. Das Gespräch war beendet. Über den Schreibtisch hinweg reichte er mir Severences Monographie, und ich mußte sie wohl oder übel mitnehmen.
    »Ich denke, wir haben zum Thema der zufälligen oder nicht zufälligen Übereinstimmung alles gesagt, was es zu sagen gibt«, bemerkte er.
    »Danke, Sir.«
    »Und nur wenn ich absolut davon überzeugt wäre, daß es sich um einen vorsätzlichen Verstoß und nicht um eine Fahrlässigkeit handelt, würde ich es für nötig erachten, die Angelegenheit mit Dritten zu besprechen.«
    Ich wußte, daß man sich auf Fitchs Wort verlassen konnte. Und vielleicht zeigte ich etwas von meiner Erleichterung, denn er spießte mich mit seinem Blick auf wie zu einer letzten Musterung.
    Dann klopfte es, für mich das Signal zum Abgang. Aufatmend drängte ich mich an einem besorgt dreinschauenden Studenten vorbei.
    Als die Tür sich geschlossen hatte, lehnte ich mich im Flur an die Wand. Das war der schlimmste Verstoß, den man mir je zur Last gelegt hatte. Ich dachte an Moxons ungelegenes Erscheinen, an die verpaßte Chance, mit Etna zu sprechen, und an Fitchs unerhörte Verdächtigungen; und ich dachte, schlimmer könnte der Tag nicht mehr werden, bis mir bei einem Blick auf meine Taschenuhr klarwurde, daß ich mich zur Privatstunde mit Edward Ferald verspäten würde.
    Ferald erwartete mich in meinem Salon. In nonchalanter Pose an einen hohen Hocker am Fenster gelehnt, einen Fuß auf dem Boden, den anderen auf einer Sprosse, die Hände sorglos auf dem Oberschenkel gefaltet, schaute er zum Fenster hinaus und gab vor, meinen Eintritt nicht zu bemerken.
    »Ja, Ferald«, sagte ich. »Es tut mir leid, daß ich mich verspätet habe.«
    Ich atmete in kurzen, gepreßten Stößen und schwitzte stark, wodurch ich mich dem lässig unterkühlten Ferald gegenüber deutlich im Nachteil befand. Aber ich konnte nichts weiter dagegen tun, als mich in einen der Ohrensessel am Feuer sinken zu lassen und meinen Schal abzunehmen.
    Er drehte sich langsam nach mir um.
    Wie immer war er tadellos gekleidet. Er trug ein exquisit geschneidertes Jackett mit einem langen perlgrauen Seidenschal, und die Hemdbrust darunter war so frisch und weiß, daß ich meinte, sie müsse neu sein. So beeindruckend wie seine Kleidung waren seine Manieren, aber ich wußte, daß sie nur Maske waren, hinter der sich schlaue Gerissenheit verbarg.
    »Kein Problem, Sir.«
    Das Wort »Sir«, das ich soeben noch Noah Fitch gegenüber mit, wie ich hoffe, echtem Respekt gebraucht hatte, war, aus Feralds Mund kommend, mit einem Hauch Spott behaftet.
    »Warten Sie schon lange?« fragte ich.
    »Seit fünf.«
    Es war mittlerweile fünfundzwanzig Minuten nach der vollen Stunde.
    »Dann werde ich einfach etwas überziehen«, sagte ich, meine Tasche öffnend.
    »Tut mir leid, Sir, ich kann nicht überziehen. Ich bin mit Merrit verabredet.«
    Ich überlegte. Merrit war ein Student im dritten Jahr, und es wurde gemunkelt, er sei Buchmacher.
    »Zu welchem Zweck?« fragte ich.
    Ferald zögerte. »Ich möchte auf keinen Fall unhöflich scheinen, Sir, aber ist das von Belang? Das Entscheidende ist doch wohl die Tatsache der Verabredung.«
    »Haben Sie Die Braut von Lammermoor gelesen?« fragte ich, abrupt das Thema wechselnd.
    »Ja, Sir, aber Ihre siebte Frage bereitet mir Schwierigkeiten – die über den historischen Roman im Gegensatz zu der ›wirren Mischung aus Gleichzeitigkeit‹, wie Sie es formulieren. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Werk, das nicht in der Zeit des Autors geschrieben ist, die Trennung wesentlicher Ereignisse von beiläufigen gestattet. Mir scheint das ein falsches Bemühen zu sein, da der Autor ja nicht authentisch über die Vergangenheit schreiben kann. Wir sprechen natürlich von Waverley , das vor Scotts Zeit spielt. Und meine These doch eigentlich bestätigt, nicht wahr?«
    »Vielleicht haben Sie Ihren Text nicht sorgfältig genug gelesen«, sagte ich.
    »Ich habe gründlich gearbeitet«, entgegnete er gekränkt. »Mir ist nur alles durcheinandergeraten, und ich brauche Ihre Hilfe, um es zu ordnen. Ich bin wirklich gespannt auf Ihren Kommentar.« Er machte sich nicht die Mühe, sein dünnes Lächeln zu

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