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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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sie mich nicht liebte, wenigstens wohl.
    Wir hielten nur einmal an, um etwas zu essen. Unser Fahrer, der die Straße kannte, brachte uns eingedenk der Tatsache, daß wir erst Stunden verheiratet waren, zu einem kleinen Gasthaus. Soweit ich mich erinnere, aß Etna kaum etwas, während ich heißhungrig einen Lammbraten hinunterschlang. Es waren noch andere Gäste in dem Restaurant, und ihre laute Ausgelassenheit bildete eine willkommene Geräuschkulisse, die es Etna und mir erlaubte, die meiste Zeit zu schweigen. Ich konnte vor Aufregung bei dem Gedanken an die kommende Nacht kaum einen Ton hervorbringen, trotzdem hätte ich der versammelten Gästeschar am liebsten lauthals verkündet, daß wir gerade erst geheiratet hatten. Jedesmal, wenn ich Etna ansah – ihr nachdenkliches Gesicht mit den fremdländisch anmutenden Wangenknochen (in ihren Adern mußte indianisches Blut fließen!) –, fühlte ich mich emporgehoben von einer Woge des Glücks, wie es ein Mann empfinden mag, der beim Glücksspiel eine große Summe gewonnen hat.
    Als wir aus dem Gasthaus hinaustraten, bemerkte ich auf der anderen Straßenseite einen Geschenkeladen. Ich half Etna in den Wagen und bat sie, auf mich zu warten. Ich wollte meiner Frau zur Feier dieses Tages ein Geschenk machen. Aber als ich das Geschäft betrat, sah ich enttäuscht, daß es hier nur Trödel gab. Ich nahm einen Spitzenschleier zur Hand und entdeckte ein Mottenloch; ich sah mir eine silberne Haarbürste an, die in Frage gekommen wäre, hätte sie nicht am beinernen Griff einen kleinen Fleck gehabt; ich versprach mir viel von einem Florentiner Federkästchen, bis ich den Deckel hob und sah, daß er nur noch an einem Scharnier hing. Ich war schon soweit, die Idee aufzugeben, als ich eine abgewetzte Samtkappe von einer Vitrine nahm und unter dem Glas eine Garnitur kleiner Gegenstände entdeckte, wie eine Frau sie vielleicht in der Handtasche trägt: ein kleiner Spiegel, ein Pillendöschen, ein Etui für Visitenkarten – alle aus Gold, mit Rücken oder Deckel in feingearbeitetem Perlmutt. Die Formen waren gefällig – der runde Spiegel, das ovale Döschen, das rechteckige Etui –, kleine Schätze, wie ein Kind sie im Schmuckkasten der Großmutter bewundern könnte. Die Garnitur war alt, und ich machte die kleinen Fehler (etwa daß das Gold des Döschens stellenweise blind geworden war) schlimmer, als sie waren, um den Preis zu drücken, was, wie sich zeigte, völlig unnötig war; der Ladeninhaber schien vom Wert der Garnitur keine Ahnung zu haben. Ich bezahlte, ließ das Geschenk verpacken und nahm es mit zum Wagen.
    »Aber ich habe nichts für dich«, sagte Etna, als ich ihr das Päckchen in den Schoß legte.
    »Natürlich nicht«, antwortete ich. »Das war ja auch nur eine Laune. Na ja, ein bißchen mehr als eine Laune. Ich wollte dir etwas schenken, um diesen wunderbaren Tag zu feiern.«
    Ich sah mit angehaltenem Atem zu, wie sie das Päckchen auspackte. Mit so reiner Seele hatte ich noch keines meiner Geschenke gemacht. Als sie das Seidenband aufzog, hatte ich das Gefühl, nun läge mein Innerstes in ihrer Hand. Nie hatte ich so sehr gewünscht, einem anderen Menschen zu gefallen. Alle Hoffnung steckte unter dem knisternden Seidenpapier.
    Sie öffnete ein Kästchen nach dem anderen und strich mit den Fingerspitzen über die perlmutterne Einlegearbeit. »Danke dir, Nicholas«, sagte sie. »Sie sind wunderschön.«
    »Liebe mich«, war alles, was ich sagen konnte.
    Ich erinnere mich heute nicht mehr, warum ich das Mountain Inn als Aufenthaltsort für unsere kurzen Flitterwochen wählte. Ich vermute, es hatte mit meinen finanziellen Mitteln zu tun, die nach der Renovierung des Hauses nahezu erschöpft waren. Sonst wären wir doch sicher nach Paris gereist. Oder sogar nach Italien. Doch ich hatte ein Gasthaus auf einsamer Höhe im Herzen der White Mountains ausgesucht, in denen um diese Jahreszeit noch der unwirtliche Winter herrschte. (Ob ich es auf Empfehlung eines Kollegen gebucht habe? Ist Moxon schuld daran?) Sogar jetzt noch brauche ich mir dieses monströse Hotel nur vorzustellen, um zu spüren, wie sich etwas in mir in Verzweiflung wandelte.
    Schon im ersten Moment war klar, daß wir nicht erwartet wurden. Die Person, mit der ich korrespondiert hatte, ließ sich überhaupt nicht blicken. Aber, sagte der junge Bursche, der uns schließlich öffnete, man könne uns trotzdem ein Zimmer richten. Er werde uns doch nicht die Tür weisen, versicherte er, bewirkte aber mit

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