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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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gemütlich knisternde Feuer im offenen Kamin.
    Rauchend begann ich an Etna zu denken, die oben auf dem Bett lag und schlief. Ob sie sich ausgekleidet hatte? Aber natürlich, sagte ich mir; keine Frau würde sich in ihrem Hochzeitskleid hinlegen. Ich muß gestehen, daß ich zu diesem Zeitpunkt meines Lebens sehr wenig Erfahrung mit Frauen hatte, die nicht geübt waren in sexuellen Dingen. Ja, man kann durchaus sagen, daß ich höchst selten mit einer Frau zusammengewesen bin, die nicht in gewissem Sinn eine Professionelle war. Ich wußte, daß mein Liebesleben mit Etna sich sehr anders gestalten würde; ich würde der Erfahrene, der Geübte sein, der große Lehrer. Ich hatte ihn nicht nötig, den kleinen Band mit dem Titel Was der junge Ehemann wissen sollte , diesen angeblich unentbehrlichen Ratgeber für die Hochzeitsnacht. (Die Angestellten, die zu Semesterende die Wohnheime reinigten, fanden jedesmal ein Dutzend oder mehr Exemplare dieses am College verbotenen Buchs, wenn die Erstsemester in die Sommerferien fuhren.) Für mich war klar, daß Etna noch Jungfrau war, und ich gebe zu, ich hatte ein wenig Angst davor, diese heiligste aller Grenzen zu überschreiten. Ich hoffte nicht nur, daß ich ihr keinen Schmerz bereiten würde, ich hoffte auch, die rohe Körperlichkeit des Akts würde sie nicht verschrecken und es ihr für immer unmöglich machen, seine Wonnen zu genießen.
    (Wie mich das uralte Ereignis der Geburt, die für mich immer ein Wunder bleiben wird, fasziniert, so fasziniert mich seit jeher die geheime Welt der Sexualität. Beinahe jeder, der das Erwachsenenalter erreicht, erlebt den Geschlechtsakt, und doch erscheint es, abgetrennt von dem Geschehen selbst, unglaublich, daß Menschen sich tatsächlich so benehmen. Manchmal, beim Gottesdienst oder wenn ich in einem gutbesuchten Café bei einer Tasse Kaffee sitze, kommt mir der Gedanke, daß wahrscheinlich die meisten der wohlgesetzten Menschen im Raum den Geschlechtsakt vollzogen haben, vielleicht sogar an ebendiesem Tag. Ich betrachte dann vielleicht eine Frau mittleren Alters, die mit ihrer Handtasche auf dem Schoß dasitzt wie die Prüderie in Person und kaum ihre Ungeduld mit der Bedienung verschleiert, und frage mich: Welche geheimen Wonnen hat diese Frau erlebt? Ist sie prüde in der Öffentlichkeit und zügellos im Bett? Geschieht es ihr, daß sie im Taumel ehelicher Lust die Kontrolle verliert? Bevorzugt sie im stillen Kämmerlein vielleicht Praktiken, die sie in der Öffentlichkeit verdammen zu müssen meint? Die Frau, die geschnürt und hochgeknöpft an einem Ecktisch sitzt, ihre Pakete unter ihrem Stuhl, scheint solch tierhaften Verhaltens nicht fähig. Und doch ahnt man – weiß man – (es sei denn, die betreffende Frau ist eines jener seltenen Wesen, eine alte Jungfer ohne jede Erfahrung in der Liebe), daß sie sich ein- oder zweimal in der Woche (oder sogar täglich) auf eine Weise betragen hat, die wir, die wohlgesittete Gesellschaft, als schockierend bezeichnen würden. In meiner Jugend, als heftige Leidenschaft mich trieb, die ich mit unterschiedlichem Erfolg zu zügeln suchte, verfolgten derartige Gedanken und Phantasien mich stündlich; und ich muß gestehen, daß es zu meinem liebsten Zeitvertreib gehörte, in einem Raum den Menschen herauszusuchen, der am spießigsten wirkte, und ihm ein tolles Sexualleben zu erfinden. Heute, im Alter, werde ich, ich bin froh, es sagen zu können, von solchen Gedanken weniger geplagt.)
    Ich trat ins Zimmer, das nur vom Feuerschein erleuchtet war. Etna lag unter einer Steppdecke. Sie regte sich, als ich näher kam, und öffnete die Augen. Ich zog die Stiefel aus und dann meinen Gehrock, und als ich den Kleiderschrank öffnete, sah ich, daß das Hochzeitskleid aus beigefarbener Seide darin hing. Der Anblick des Kleides und die Gewißheit, daß Etna in ihren Unterkleidern oder einem Nachthemd unter der Decke lag, reichte aus, um meine Leidenschaft zu entzünden, und ich hatte nun keine Angst mehr, den Akt zu vollziehen. Rasch ging ich zur anderen Seite des Zimmers und glitt unter die Decke in das Bett, das Etna schon angewärmt hatte. Ich spürte, daß jedes Zögern in diesem Moment weiteres Handeln vielleicht unmöglich machen würde, darum nahm ich sie sofort fest in die Arme. Ihr Körper war warm und weich unter dem Hemd; sie hatte, wie ich glücklich entdeckte, das Korsett, dieses aufreizende, doch lästige Kleidungsstück, bereits abgelegt.
    »Meine Frau«, sagte ich und drückte sie fest an

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