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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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sicherzustellen, daß die Arbeiten in der dritten Juniwoche, wenn Etna und ich von unserer Hochzeitsreise zurückkehrten, abgeschlossen wären. Es war keine leichte Aufgabe, aber wie der Mann sie bewältigte, war der Bewunderung wert. Auch wenn wir bisweilen von Malern und Installateuren gestört wurden (da der Einbau der sanitären Anlagen unerklärliche Schwierigkeiten bereitete), konnte ich mich angesichts der Verwandlung, die er letztendlich bewirkte, kaum beklagen.
    Auffallend war auch die Verwandlung, die mit mir selbst vorging – ich will zwar nicht so weit gehen zu behaupten, daß wir je nach unserer äußeren Umgebung an Charakter und Geist wachsen oder schrumpfen, aber es ist nicht zu leugnen, daß ich allmählich die etwas armselige Rolle des Schulmeisters, der in einer bescheidenen Collegewohnung haust, ablegte und in die des Grundbesitzers schlüpfte. Mein beschämender Zusammenbruch coram publico lag hinter mir (ja, ich brachte es sogar fertig, Arthur Hallock am Tag der Abstimmung über die Fakultät für Leibeserziehung herzlich, wenn auch nicht aufrichtig, zu beglückwünschen), und wenn ich auch niemals wieder die Beliebtheit gewann, die ich vorübergehend genossen hatte (ganz ließ sich das Bild dieses unmännlichen Zusammenbruchs auf dem Podium des Anatomiesaals nicht löschen), schienen sich doch meine Kollegen größtenteils ehrlich mit mir über meine bevorstehende Heirat zu freuen.
    Was aber kann ich über Etna aus dieser Zeit berichten? Ich kannte ihre wahren Gedanken nicht und war nicht sonderlich erpicht darauf, ihnen auf den Grund zu gehen, da ich, ja, ich gestehe es, fürchtete, ich würde sie womöglich dazu treiben, bezüglich der Heirat einen Rückzieher zu machen. Ich beließ deshalb unseren schriftlichen Verkehr auf einer Ebene freundlicher Lauheit, und wenn es mich quälte, ihr in meinen Briefen nicht von meiner Liebe zu sprechen, so tröstete ich mich mit dem Gedanken, daß ich bald alles würde sagen können, was mich bewegte.
    Ich sehnte mich danach, Etna zu besitzen, und hoffte aus tiefster Seele, mein Verlangen würde erwidert. Ich weiß nicht, ob ich aus hoffnungsloser Naivität oder aus schlichter Unwissenheit nicht fähig war, mir von den Ängsten einer jungen Frau vor den sexuellen Pflichten, die sie in der Ehe erwarteten, eine Vorstellung zu machen. Natürlich hatten wir von solchen Dingen nie gesprochen (auch wenn wir einmal in allen Einzelheiten den Begriff der Leidenschaft in Hawthornes Roman Der scharlachrote Buchstabe diskutierten; ein aufregendes Gespräch nicht nur wegen seiner intellektuellen Schärfe, sondern auch wegen des kaum verschleierten erotischen Gehalts), ich nahm einfach an, sie wüßte einiges darüber. Mindestens, sagte ich mir, würde sie ihre Schwester über gewisse Einzelheiten der Hochzeitsnacht befragen.
    (Ich mag in dieser Niederschrift häufig opportunistisch erscheinen, aber meine Liebe zu Etna Bliss war echt. Nie zuvor hatte ich ein solches Gefühl gekannt, und ich habe auch seither nie wieder etwas Derartiges empfunden. Auch wenn ich gegen meine Phantasien nichts tun konnte – welcher Mann kann das schon? –, war ich im Hinblick auf meine Ehe nur von den reinsten Motiven beseelt. Vor allem anderen wollte ich Etna glücklich machen, gleich, welcher Opfer meinerseits es vielleicht bedürfte. Meiner Meinung nach sollte kein Mann, der eine Beziehung zu seiner zukünftigen Frau nicht so sieht, überhaupt an Heirat denken. Selbst eine Ehe, die mit den besten Vorsätzen eingegangen wird, kann mitunter sowohl schwierig als auch nervenaufreibend sein. Wie soll es erst werden, wenn sie aus niedrigeren Motiven geschlossen wird?)
    (Aber natürlich war ich nicht gefeit gegen die prickelnde Vorfreude auf den Genuß der körperlichen Liebe. Ich glaube sogar, daß ich den Geschlechtsakt mehr als die meisten Männer genoß, weil er mir die seltene Möglichkeit bot, mir selbst zu entkommen – die Hemmungen abzuwerfen, die mich einschnürten, und, wenn auch nur für Augenblicke, in eine andere Welt einzutreten, in der ich nicht länger ein Mann namens Nicholas Van Tassel war.)
    Etna und ich gingen Arm in Arm (Mann und Frau) zum Hause William Bliss’, der sich generöserweise erboten hatte, ein Hochzeitsfrühstück auszurichten. Etna und ich waren stumm auf diesem kurzen Weg, und wäre nicht meine redefreudige Schwester Meritable gewesen, so wäre es womöglich ein sehr unbehaglicher kleiner Spaziergang geworden.
    Meritable, die eigens zur Hochzeit aus

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