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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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mich.
    An dieser Stelle lasse ich den Vorhang fallen, und ich tue es nicht aus Keuschheit. Ich tue es, um dem Leser meines Berichts die peinlichen Einzelheiten dieser Begegnung zu ersparen. Nur so viel will ich enthüllen: Etna zitterte unter dem Gewicht meines Körpers und gab sich mir gerade nur so weit hin, wie die eheliche Pflicht es von ihr verlangte. Das hätte ich ertragen können. Ja, ich hätte es vielleicht sogar frohen Muts ertragen in der tröstlichen Gewißheit, daß mit kluger Lenkung ihre Ängste sich legen würden und sie, meine Schülerin, binnen kurzem schon lernen würde, Lust zu empfangen und ihrerseits Lust zu schenken. Aber das andere, das griff mir so eisig ans Herz, erschütterte mich so tief, daß ich kaum fähig war, den Akt zu vollenden.
    Obwohl man bei so etwas nie absolut sicher sein kann, da die Anatomie der Menschen nun einmal unterschiedlich ist, war ich gewiß, daß ein anderer mir den Weg in den Schoß meiner Frau bereitet hatte. Noch in den Momenten höchster Lust, die ein Mann erleben kann, begann ich, Fragen zu stellen, die mich über Jahre peinigen würden. Wer? schrie ich lautlos. Und wann? Ich erzitterte in einem heftigen Schauder, dann glitt ich zur Seite und drehte mich auf den Rücken.
    Etna lag schweigend neben mir. Ich dachte an Meritables Worte, daß ein in der Hochzeitsnacht gezeugtes Kind klug und mildtätig werden wird. Doch in dieser Nacht würde kein Leben gezeugt werden. In dieser Nacht wurde statt dessen Eifersucht geboren – brennende, fruchtlose und alles verzehrende Eifersucht. Liebe, von mir eben noch als ein allzu schwaches, zahmes Wort für meine Gefühle für Etna empfunden, wurde von etwas verdrängt, wofür ich niemals eine angemessene Bezeichnung gefunden habe: das Ohnmachtsgefühl, das einen überfällt, wenn einem etwas gestohlen worden ist, das einem teuer war; die Wut darüber, getäuscht worden zu sein.
    Ich habe mich oft gefragt, was geschehen wäre, wenn ich in diesem Augenblick gesprochen und Etna die Gefühle offenbart hätte, die ich eben geschildert habe. Wahrscheinlich hätten wir ein, zwei unerfreuliche Stunden (ein, zwei abscheuliche Stunden, denke ich) durchlebt, an die wir uns später nur mit Traurigkeit erinnert hätten, aber die Atmosphäre wäre gereinigt gewesen, und wir hätten unser gemeinsames Leben auf einer Basis des Vertrauens beginnen können.
    Doch ich konnte nicht sprechen. Nein, nein, niemals hätte Nicholas Van Tassel seine Frau fragen können, wie es kam, daß ihr Körper ihm kein Hindernis entgegengesetzt hatte. Niemals hätte er sich so tief erniedrigen können. Und so lag er, in das Dunkel seiner Phantasien gehüllt, still neben seiner ruhig atmenden Frau.

 

 
    DER ZUG HIELT EINMAL KURZ, und ich ergriff die Gelegenheit, auszusteigen und mir die Füße zu vertreten.
    Ich stand auf dem Bahnsteig und beobachtete, wie Sonne und Dampf eine Art leuchtenden Nebels unter der gewölbten Decke schufen. Eine große Uhr, skurrilerweise einer Taschenuhr nachgebildet, glänzte durch diesen Nebel. Männer und Frauen (ich erinnere mich im besonderen einer dunkelhaarigen Frau in einem kurzen Tuchmantel, die vor sich hin starrte und eine Zigarette rauchte) verschwammen zu Schemen in dem seltsamen Licht. Die ungewöhnliche Wolke erzeugte eine zugleich überirdische wie prosaische Szene: der Bahnsteig, so häßlich von Abfällen und Ölflecken; das Licht, so schön, daß ich wünschte, ich besäße einen Photoapparat. Nicht bereit, diese flüchtige Oase (wo es bis auf das Zischen der Dampflokomotive eigenartig still war) zu verlassen, mußte ich schließlich, als der Zug anrollte, laufen, um noch mitzukommen, zweifellos ein komischer Anblick für alle, die ihre Plätze bereits eingenommen hatten.
    Ich nehme meinen Bericht an einem Morgen, vierzehn Jahre nach meinem Hochzeitstag, wieder auf. Etna und ich sitzen in einem Frühstückszimmer mit Rosentapete und dunklem Mahagoni. Es ist das Jahr 1914, und irgendwo im Haus sind zwei Kinder – glückliche Kinder, das kann man ohne weiteres sagen –, nicht mehr im Bett, sondern schon geräuschvoll auf den Beinen. Die dreizehnjährige Clara, unsere Älteste, ist dabei, sich für den Unterricht an der Thrupp Girls’ Academy anzukleiden, der höheren Schule für Mädchen. Verschiedene Geräusche im Haus verraten Betriebsamkeit: Eine Schublade wird zugestoßen, ein Schuh fällt zu Boden, ein gußeiserner Topf schabt über den Herd. Im Sonnenlicht, das durch die Sprossenfenster einfällt,

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