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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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diesen Worten nur, daß wir uns wie unerwünschte Flüchtlinge fühlten. Ich war äußerst verärgert und konnte mich kaum zurückhalten, den Mann zu beschimpfen. Etna war es peinlich, glaube ich, und sie bemühte sich, mich in meinem Zorn zu beruhigen. »Es ist nicht so schlimm«, sagte sie immer wieder. »Es ist doch nicht so schlimm.«
    »Doch, es ist schlimm«, entgegnete ich scharf, allzu scharf offensichtlich, denn sie wandte sich ab und enthielt sich aller weiteren Kommentare.
    Der Bursche führte uns in ein Zimmer in der ersten Etage. Der Blick war so beeindruckend wie versprochen, aber ich war viel zu aufgebracht und zu durchgefroren, um darauf zu achten. Ein Windstoß hatte Asche über die Bodendielen gefegt, und von der Tür aus konnte man erkennen, wie tief die Sprungfedern des Bettes durchhingen. Es war eiskalt in dem Zimmer, und es roch muffig.
    »Das ist alles, was Sie haben?« fragte ich.
    »Es ist keine Saison, Sir.«
    »Können Sie ein Feuer machen?« fragte ich den Burschen.
    »Gern«, antwortete dieser.
    »Und gibt es auch etwas zu essen?«
    »Sie möchten essen?«
    »Natürlich möchten wir essen. Und zwar regelmäßig. Wir haben für eine Woche gebucht.«
    »Eine Woche, Sir?«
    »Ja, eine Woche. Herrgott noch mal, wir sind auf der Hochzeitsreise.«
    Etna legte mir besänftigend eine Hand auf den Arm. Der Bursche lächelte. Ich hielt es für Impertinenz.
    »Also«, sagte ich scharf, »kümmern Sie sich um das Feuer.«
    Keine Ehe, denke ich heute, sollte mit einer Hochzeitsreise beginnen. Was wird da den Partnern, die einander vielleicht noch fremd sind, für eine Last an Erwartungen aufgebürdet! Außer bei den Menschen, für die das Höchste die rein körperliche Lust ist und die das Bett am liebsten überhaupt nicht verlassen (denen es egal ist, ob der Wirt oder die anderen Gäste es registrieren), werden durch das erzwungene ständige Beisammensein falsche Erwartungen von einem ununterbrochenen Glück genährt, das in Wirklichkeit nicht möglich ist. Weit besser wäre es, sich von Anfang an den Verpflichtungen des Alltags zu stellen und sich vielleicht ab und zu füreinander Zeit zu nehmen (und natürlich immer in der Nacht), anstatt ständig den Schein ungetrübten ehelichen Glücks aufrechterhalten zu müssen.
    Etna und ich saßen schweigend dabei, während der Bursche Feuer machte. Es begann bereits dunkel zu werden, darum kam ein Spaziergang im Freien nicht in Frage (der übrigens auch bei Tag gefährlich genug war wegen der steil abfallenden Felswände). Ebensowenig kam ein Besichtigungsgang durch die Hallen und Korridore des häßlichen Baus in Betracht, da abgesehen vom Speisesaal und von ein, zwei anderen öffentlichen Räumen das Hotel ungeheizt war. Während wir so saßen, überfiel mich ein Gefühl der Klaustrophobie, das mir alle Zuversicht zu rauben drohte. Etna durchbrach endlich die bedrückende Stille, nachdem der Bursche das Feuer entzündet und das Zimmer verlassen hatte. (Ich konnte nicht umhin, das wissende Feixen auf seinem Gesicht zu bemerken, bevor er die Tür schloß.)
    »Nicholas, ich würde mich gern hinlegen«, sagte sie.
    »Ja, natürlich«, antwortete ich und stand auf.
    »Nur einen Augenblick. Um mich ein wenig auszuruhen.«
    »Ich mache inzwischen einen Spaziergang.«
    Sie schwieg.
    »Ich gehe nach unten und trinke eine Tasse Tee.«
    »Das ist eine gute Idee.«
    »Soll ich dir eine Tasse bringen lassen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Ich brauche nur ein wenig Ruhe.«
    Mit einer gewissen Erleichterung verließ ich das Zimmer und ging ins Foyer hinunter. Als ich auf die Veranda hinaustrat und im Zwielicht das herrliche Panorama vor mir sah, konnte ich mir vorstellen, daß das Hotel in den wärmeren Monaten zu regem Leben erwachte. Plötzlich durstig, machte ich mich auf die Suche nach dem frechen Hotelburschen und fand statt dessen eine Frau, die in der Küche am Herd stand und mir versprach, Tee und Sherry in einen der Salons bringen zu lassen.
    Ich machte mich auf den Weg dorthin und steckte mir, während ich wartete, eine ausgetrocknete Zigarette an, die ich aus einem silbernen Kasten auf dem Tisch nahm. Der Bursche brachte den Tee und eine Karaffe Sherry und stellte alles auf den Tisch neben dem Ohrensessel, in dem ich es mir bequem gemacht hatte. Ich drückte ihm für seine Mühe ein paar kleine Münzen in die Hand. Ich spürte, wie sich die Wärme des Alkohols in meinem Körper ausbreitete, während es im Zimmer langsam dunkel wurde bis auf das

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