Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
lächelnder Blick nicht nur Clara und Nicodemus, sondern schlösse auch mich ein. Ich empfand dieses spontane Lächeln als so ermutigend, daß ich ungezügelt mit den Worten herausplatzte: »Liebe mich, Etna. Bitte, liebe mich.«
Es war, das weiß ich heute, ein Heulen in der Wüste, und ich erkannte sofort, daß ich sie erschreckt hatte. Sie drehte sich langsam um und ging vom Fenster weg, nicht abweisend oder ärgerlich, sondern beinahe widerstrebend, als hätte sie, wenn es in ihrer Macht gestanden hätte, bereitwillig Liebe heraufbeschworen.
(Und was gibt es über unsere sexuellen Beziehungen zu sagen? Ich war erfahren, wenn auch nicht unbedingt ein Meister, in den etwas extravaganteren Praktiken der Liebeskunst, ein Interesse, das, wie sich gezeigt hat, ein Leben lang angehalten hat. Es wäre mir natürlich nicht eingefallen, diese geheimen Künste im Ehebett auszuüben oder Etnas Reinheit mit meinen ausschweifenden Erfahrungen zu beflecken, aber im Gegensatz zu vielen anderen Ehemännern kannte ich den weiblichen Körper und wußte, wie ihm Genuß bereitet werden kann. Dies zu tun, bemühte ich mich in den ersten Monaten unserer Ehe. Etna wies mich zwar nicht zurück, aber sie reagierte auch nicht; und wenn das fehlgeschlagene Bemühen, eine Frau zu entzünden, das sexuelle Begehren des Mannes auch nicht ersticken kann, so führte es doch in meinem Fall zur Einstellung aller besonderen Anstrengungen, und unser Liebesleben wurde fortan mehr von der Gewohnheit diktiert als von Originalität.
Aber genug davon. Lieber Gott, genug!)
Etna und ich saßen also eines Morgens im Oktober im Schimmer sonnenglitzernder Staubkörnchen im Frühstückszimmer wie jeden Tag. Mochten wir nachts Fremde sein, im Licht des Morgens waren wir wieder Mann und Frau, in liebenswürdigem Miteinander mit den Forderungen des Alltags beschäftigt. Beim Frühstück, das aus Toast, Eiern, Aufschnitt und so weiter bestand, planten wir gemeinsam, und ganz entspannt, den kommenden Tag. Etna hatte neben ihrem Teller Feder und Tintenfaß, und während wir uns unterhielten, füllte sie die Seiten des Heftchens, das vor ihr lag, mit Notizen, was es an diesem Tag zu erledigen gab.
Ich liebte es, ihr bei dieser Tätigkeit zuzusehen. Sie hatte mit zunehmendem Alter an Ausstrahlung gewonnen und war jetzt, mit vierzig, schöner als damals mit fünfundzwanzig, als ich sie kennenlernte. Ich bin überzeugt davon, daß es bei jeder Frau ein bestimmtes Alter gibt, in dem ihre Schönheit in höchster Blüte steht. Bei den meisten ist das der Fall, wenn sie noch junge Mädchen sind, vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt. Diese vollkommenen Geschöpfe mögen wunderschön und voller Verheißung sein (aber wie oft bleibt diese später unerfüllt!), doch, um es etwas salopp zu sagen, das Berühren ist verboten, ihre Schönheit kann daher nicht in vollem Umfang gewürdigt werden. Ich habe natürlich keine Ahnung, wie Etna mit fünfzehn aussah (leider gibt es keine Photographien von ihr aus dieser Zeit), aber ich denke, ich kann mit Sicherheit sagen, daß sie nie schöner war als mit vierzig.
»Gehst du heute abend mit mir zu dem Empfang?« fragte ich meine Frau, die gerade eine Scheibe Toast mit Butter bestrich.
Es handelte sich um eine Veranstaltung, auf der dem versammelten Lehrpersonal des College die Männer vorgestellt werden sollten, die bei der von strengen Anforderungen diktierten Suche nach einem Nachfolger für Noah Fitch in die engere Wahl gekommen waren. Fitch war vier Jahre zuvor auf den Posten des Collegepräsidenten berufen worden und hatte ihn bis zu seinem Tod vor einigen Monaten innegehabt. Ich hatte kein Hehl aus meinen Ambitionen gemacht und war im engeren Kreis der Kandidaten verblieben. (Entgegen aller Wahrscheinlichkeit hätte auch der glücklose Moxon das beinahe geschafft; er war allgemein beliebt und hatte mit seiner Populärbiographie über Lord Byron beträchtlichen Erfolg gehabt.) Meine beiden Rivalen waren Arthur Hallock, der Mann, der das Studienfach Leibeserziehung in Thrupp eingeführt hatte, und Fisher Talcott Ames, ein Historiker vom Bates College. Den ganzen Herbst hindurch hatte der Verwaltungsrat des College immer neue Kandidaten aufmarschieren lassen – Atwater Hall aus Princeton und William Merriam Hatch aus Dartmouth sind zwei, an die ich mich erinnere –, aber wenn es auch etwas beunruhigend gewesen war, die Rivalen durch die Gänge von Thrupp wandeln zu sehen, war ich doch von einem guten Ausgang der Sache
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