Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
fühlte, so auch ich – in doppelter Weise –, nicht nur von meinem Sehnen nach ihr, das niemals nachzulassen schien, sondern auch von der Spannung, die zwischen uns pulsierte, während ich Dreiser las und Etna Zierdeckchen stickte.
Es wird den Leser nicht überraschen zu hören, daß der Quell dieses quälenden Unbehagens zwischen Etna und mir das Ehebett war, ein Ungeheuer aus Mahagoni, das wir praktisch schweigend auf unserer Hochzeitsreise erworben hatten. Es kam zwar selten vor, daß Etna mich direkt zurückwies, aber das Zusammensein mit mir bereitete ihr keinerlei Genuß. Abend für Abend umarmte ich im gemeinsamen Bett eine Frau, der ich am Morgen zugesehen hatte, wie sie unseren Sohn aus seinem Bettchen hob oder unserer Tochter das Haar flocht, die Frau, die mir erst Stunden zuvor ein Hemd gereicht, das sie gerade ausgebessert hatte, oder freundlich zerstreut von ihrem Buch aufgeblickt hatte, um eine Frage unserer Köchin zu beantworten, und Abend für Abend mußte ich wieder entdecken, daß mir im Grunde genommen der Zugang zu ihrem Körper ebenso versagt blieb wie der zu ihrer Seele. Etna tat in diesem mit Blatt- und Blumenschnitzereien versehenen Bett gehorsam, was die Pflicht von ihr verlangte, aber sie konnte mich nicht lieben. Die Zeit, die ich als meine Verbündete angesehen hatte (mit ein bißchen Geduld würde eine Frau doch gewiß die Freuden der körperlichen Liebe für sich entdecken?, die Alchimie der Zeit würde doch gewiß Achtung in Liebe verwandeln und Pflichtgefühl in Leidenschaft?), bewirkte nichts, vielmehr kroch sie in den qualvollen Stunden vor dem Zubettgehen viel zu träge dahin. Die Folge war, daß ich gelernt hatte, mich zurückzuhalten, so daß eine unnötige Kälte hereingebrochen war, doppelt grimmig, weil ich jeden Abend der ersten Nacht gedenken mußte und der schrecklichen Gewißheit, daß Etna keine Jungfrau mehr war, als sie mich geheiratet hatte. So wurde die Eifersucht stets von neuem entfacht und geschürt, war Nacht für Nacht meine Gefährtin, zuverlässiger als die Liebe und beständiger als mein Ehegelübde.
Ich verwünschte mich dafür, daß ich in unserer Hochzeitsnacht geschwiegen hatte. Später, als der Moment für eine Aussprache verstrichen war, fand ich nie einen geeigneten Anlaß, um dieses heikle und gefährliche Thema zur Sprache zu bringen. Und als dann die Wochen vergingen und wir uns langsam im ehelichen Alltag einlebten, wurde die Vorstellung, ein derartiges Gespräch zu führen, immer abschreckender, bis es schließlich unmöglich wurde, auch nur daran zu denken, Etna diesbezüglich Fragen zu stellen.
(Ist der Moment einmal verstrichen, so ist er unwiederbringlich dahin.)
Eines Abends, mehrere Monate nach der Rückkehr von unserer Hochzeitsreise, stand ich spontan auf, eilte durch das Zimmer und kniete vor meiner Frau nieder. Etna stocherte schon seit einiger Zeit mit ihrer Nadel in einem Knoten herum und versuchte, die verhedderten Fäden zu entwirren, und vielleicht mußte ich dabei an den sich immer fester zuziehenden Knoten unserer Ehe denken. Jedenfalls sprang ich impulsiv auf, eilte durch das Zimmer, ergriff ihre Hand und rief heftig, daß ich sie aus tiefstem Herzen liebe und einzig ihr Glück wolle.
Erstaunt, vielleicht sogar beunruhigt, sah sie mich an. »Nicholas«, sagte sie. (Über Jahre hielt sich bei meiner Frau ein feiner Widerwille, mich beim Vornamen zu nennen. Es war, als hätte sie »Professor Van Tassel« sagen wollen, sich aber gerade noch rechtzeitig gefangen.) Sie hielt noch die Nadel in der Hand; der Stickrahmen war ihr auf den Schoß hinuntergefallen. Ihr schönen Augen waren rot vor Überanstrengung (ich muß ihr eine bessere Lampe besorgen, dachte ich bei mir), und bevor ich mich besann, rief ich: »Wie kalt du bist!« Ihre Hand lag unerwartet kühl in der meinen, und ich mußte unwillkürlich an den Abend nach dem Hotelbrand denken, als ich Etna zum Haus ihres Onkels gebracht hatte und sie mir die Hand gegeben und ähnlich überrascht gesagt hatte: Wie kalt Sie sind! Es war, als hätte ich in den Monaten seit unserer Hochzeit dem Körper meiner Frau die Wärme entzogen.
Nur noch einmal sprach ich Etna von Liebe. An einem Spätnachmittag, als wir an einem der oberen Fenster standen und zu unseren Kindern hinunterschauten, die im Garten spielten. Es war ein Augenblick, wie nur Eltern ihn teilen können – erfüllt von Stolz, der sich mit reinstem Glück mischt –, und es schien an jenem Tag, als gälte Etnas
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