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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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für mich ziemlich überzeugt gewesen.
    Der Empfang sollte im Haus Edward Feralds stattfinden, der dank seines großen Vermögens rasch in den Verwaltungsrat aufgestiegen war. Thrupp hatte ihn mit offenen Armen aufgenommen: ein ehemaliger Schüler und zugleich ein Mäzen, das war eine praktisch unschlagbare Kombination (Ferald, wurde gemunkelt, besaß ein Vermögen von mehr als zwei Millionen). Auch Ferald hatte bei der bevorstehenden Wahl eine Stimme (die er wohl nicht für mich abgeben würde; er hatte die schlechte Note, dank deren er im Scott-Seminar durchgefallen war, bestimmt nicht vergessen), aber es war nur eine von sieben, und mindestens drei dieser Stimmen glaubte ich ziemlich sicher in der Tasche zu haben.
    »Ich freue mich darauf.« Etna krempelte die Ärmel ihrer praktischen weißen Bluse auf.
    An der Kleidung meiner Frau beim Frühstück konnte ich stets erkennen, was sie an diesem Tag vorhatte; und da sie einen Gabardinerock und Stiefel trug, und zwar nicht ihre besten, vermutete ich, daß sie einen Teil des Tages in dem sozialen Wohnheim zubringen würde. Sie erledigte dort die Verwaltungsarbeiten, und ihre Fähigkeiten im Büro wurden sehr geschätzt. In dem Wohnheim wurden nur bedürftige Frauen, Mädchen und Kinder aufgenommen, was ich beruhigend fand. Ich hätte es gar nicht gern gesehen, wenn meine Frau mit der Sorte Männern zu tun gehabt hätte, die auf solche mildtätige Hilfe angewiesen sind. Es war schlimm genug, daß Etna dort mit den Greueln konfrontiert wurde, denen Mädchen und Frauen ohne inneren moralischen Halt ausgesetzt waren; darüber tröstete mich nur der Gedanke, daß sie sich zweifellos die größte Mühe geben würde, dafür zu sorgen, daß unserer Tochter Clara niemals ähnliches widerfahren würde.
    »Ist es ein Dinnerempfang?« fragte sie.
    In der Küche läutete das Telephon, und ich hoffte, der Anruf wäre nicht für mich. Ich wurde beim Frühstück mit Etna nicht gern gestört.
    »Ich glaube, ja«, antwortete ich.
    »Dann gebe ich Mary frei, wenn sie das Essen für die Kinder gemacht hat. Wir werden ja heute abend nicht zu Hause sein, und zum Mittagessen kommt auch keiner nach Hause.«
    »Richtig«, sagte ich, abgelenkt von der Schlagzeile des Tages: Wilson fordert die Bevölkerung auf, für den Frieden zu beten.
    »Aber sie könnte natürlich die Einkäufe erledigen«, sagte Etna mehr zu sich selbst als zu mir.
    »Bei dem Empfang sollen die noch verbliebenen Kandidaten für den Präsidentenposten vorgestellt werden«, bemerkte ich.
    Meine Frau sah von ihrer Liste auf. »Du solltest diesen Posten bekommen.«
    »Ich denke, ich habe gute Aussichten«, sagte ich. »Wenn nicht dem Verwaltungsrat durch die Satzung die Hände gebunden wären, hätte ich den Posten vielleicht schon.« Ich gab mich gleichmütig, aber hinter der Fassade der Gelassenheit verbarg sich Ärger darüber, daß das College gezwungen war, auch Kandidaten von außerhalb in Betracht zu ziehen.
    »Wann ist die Abstimmung?«
    »Am 5. Dezember.«
    »Warum erst so spät?«
    »Das Datum ist durch die Satzung vorgeschrieben. Es müssen auf den Tag genau vier Monate seit Beginn der Suche vergangen sein.«
    »Vielleicht wäre das heute ein günstiger Tag, den Maler kommen zu lassen, damit er das Vestibül fertig streichen kann«, sagte Etna, das Ende ihres Federhalters ans Kinn drückend. »Er könnte ungestört bis zum Abend durcharbeiten.«
    »Ja«, stimmte ich zu, »das wäre vielleicht nicht dumm.«
    Dann sagte sie leiser: »Ich brauche noch etwas Geld, Nicholas.«
    Ich hob den Kopf. »Für …?«
    »Benzin für den Wagen«, sagte sie. »Und für ein paar andere Dinge. Persönlicher Natur.«
    »Ja, natürlich«, sagte ich hastig. Keinesfalls wollte ich fragen, was für Dinge das waren.
    »Und Clara hat Husten«, fügte sie hinzu.
    »Clara hat keinen Husten«, entgegnete ich und senkte den Blick zu den Briefen, die Mary soeben neben meinen Teller gelegt hatte.
    »Du hast sie heute morgen doch selbst gehört«, versetzte Etna.
    »Wenn du mich fragst«, sagte ich, während ich den ersten Umschlag von dem Stapel öffnete, »kann unsere Tochter hervorragend Theater spielen, wenn es ihr in den Kram paßt.«
    »Unsere Tochter lügt nicht.«
    »Ich liebe sie von Herzen, Etna, aber ich weiß zufällig, daß Clara heute nachmittag eine besonders gefürchtete Arbeit in Geometrie schreibt und daß sie vor keinem Trick zurückschrecken würde, um sich davor zu drücken. Sag nicht, daß du ihr erlaubt hast, zu Hause zu

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