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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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ihm auch oft genug für die beiden großen Wunder in meinem Leben dankte, meine Kinder und meine nun schon vierzehn Jahre andauernde Ehe mit Etna.
    Mein Weg führte mich an diesem Morgen an zwei Bauernhöfen vorbei, die nichts Pittoreskes hatten, und dann durch den Außenbezirk des Orts, dessen bescheidene Häuser (die Wohnungen von Collegeangestellten, kleinen Geschäftsleuten und so weiter) eher unansehnlich waren, zum Ende der Wheelock Street. Sie öffnete sich unter einem flammenden Blätterdach zu einem feurigen Tunnel, den zu durchschreiten man sich wünschte.
    Ich mußte an meine Herbstspaziergänge mit Clara denken, die noch gar nicht so lange zurücklagen, und sah sie vor mir, wie sie in die Hände klatschte und den Mund zu einem »Oh« des Staunens aufriß. Sie war mir immer vorausgerannt, um die schönsten Farben aufzusammeln – Scharlachrot, Mandarinorange, Buttergelb –, und wenn wir nach Hause kamen, knisterten in unseren Taschen Bündel dürrer Blätter. (Wie habe ich diese Spaziergänge geliebt, wie liebe ich heute die Erinnerung daran!)
    Ich schritt etwas gesitteter, als Clara das getan hätte, die Wheelock Street hinauf. Seit 1899 hatte sich vieles in der Welt verändert, aber nicht diese Straße. Vor dem Haus William Bliss’ machte ich halt. Er war bis vor kurzem häufiger Gast in unserem Haus gewesen; unsere Kinder nannten ihn Papa, wie man einen geliebten Großvater nennen würde. Doch vor kurzem war traurigerweise eine Krebserkrankung bei ihm diagnostiziert worden, und nun mußte der arme Mann, wie ich wußte, seine Tage ans Bett gefesselt in einem der Zimmer im oberen Stockwerk verbringen. Etna und er waren einander im Lauf der Jahre sehr nahegekommen, und sie besuchte ihn mehrmals in der Woche. Ich glaube, sie sah einen Vater in ihm, und er hatte sich gern in diese Rolle gefügt. Auch ich besuchte ihn des öfteren und dachte eben jetzt daran, nach ihm zu sehen, doch nach kurzem Überlegen beschloß ich, meinen Weg fortzusetzen. Mich an einem so strahlenden Morgen in das dunkle Reich des Todes begeben, das wollte ich nicht. Und wie einem das bei egoistischen Entscheidungen leicht ergeht, verfolgten mich, während ich meinen Weg zum College fortsetzte, die Gedanken an ebendas, woran ich gerade nicht denken wollte: den Tod, Bliss’ Tod und meinen, der eines früheren oder späteren Tages vor der Tür stehen würde. Dieser Lauf der Gedanken führte prompt zu einer Überlegung, die einem momentan den Atem rauben kann: Was würde ich hinterlassen, wenn ich vor Ende des Semesters sterben müßte (wie das Bliss’ Schicksal war)? Wodurch hätte Nicholas Van Tassel sich in seinem Leben ausgezeichnet?
    Nachdenklich blieb ich stehen und lenkte meine Gedanken zu dem ehrgeizigen Nicholas Van Tassel, der vor so vielen Jahren nach Thrupp gekommen war. Andere Universitätslehrer hatten besser geschrieben als ich, mehr publiziert, mehr Anerkennung und Lob eingeheimst. Sie hatten schneller Karriere gemacht und einen steileren Aufstieg geschafft. Meine Karriere war nicht ganz unbedeutend – ich hatte Hunderte von Studenten unterrichtet und vielleicht sogar ein oder zwei von ihnen inspiriert; und ich hatte mich als fähiger Administrator gezeigt (die erfolgreiche Leitung einer mittlerweile den allgemeinen Standards entsprechenden englischen Abteilung spricht am beredtesten für meine Berufung auf den Posten des Collegevorstands) –, aber diese kleinen Erfolge summierten sich nicht zu Größe.
    Nein, dachte ich, als ich da auf dem Collegekarree stand, wenn ich in meinem Leben einer Art von Größe nahegekommen war, dann durch die Liebe zu der Frau, die ich geheiratet hatte. Ich wußte, daß wenige Männer meiner Bekanntschaft mir darin zugestimmt hätten, daß man Größe erlangen kann, indem man einen anderen Menschen liebt. Das sei zu simpel, zu gewöhnlich, zu hausbacken , hätten sie zweifellos gesagt. Tatsächlich hatte ich selten einen Mann von Liebe sprechen hören; nach allgemeinem Verständnis war das ein Diskurs, der ausschließlich Frauen und Dichtern vorbehalten war. Aber ich wußte, wie ich da so stand, daß meine Liebe zu Etna etwas Außergewöhnliches in mir berührt hatte. Sie war das einzige, das mich in allen meinen Teilen erfaßt hatte: meine Sinne, meinen Verstand und mein Gefühl.
    Ich setzte mich erneut in Bewegung, ging ein Stück weiter und blieb unvermittelt wieder stehen, als ein anderer, beunruhigender Gedanke von mir Besitz ergriff. Müßte nicht eine solche außerordentliche

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