Alles was ich sage ist wahr
auf Isak reichte, um sicher zu sein. Alle fummeligen Hände, die ich abgewehrt, alle schmachtenden Grabbelversuche, die ich abgelehnt hatte, alle Betthüpfer, die ich hätte haben können – habe ich nur wegen dieses einen Moments nicht gehabt.
Wegen Isak.
Der Glückspilz.
* * *
Sobald ich Siri am nächsten Morgen sehe, stürze ich mich auf sie wie ein ausgehungerter Wolf.
»Erzähl mir mehr«, sage ich. »Erzähl mir alles, was du weißt!«
Siri lacht.
»Ganz allgemein oder schwebt dir eher was Spezielles vor?«
»Erzähl mir alles, was du über Isak weißt.«
Sie seufzt.
»Hab ich dir nicht gesagt, du sollst die Finger von ihm lassen?«
»Ja.«
»Und was hast du mit meinem Ratschlag gemacht?«
»Ihn nicht angenommen.«
Siri breitet verzweifelt die Arme aus. »Er ist zu alt für dich, hab ich gesagt!«
»Ja, das hast du gesagt«, sage ich ungeduldig. »Und sonst? Was ist er sonst noch?«
Siri atmet tief ein, dann gibt sie auf.
»Verdammt gut aussehend«, sagt sie schließlich. »Ich meine, hast du schon seine Augen gesehen?«
Sie weiß auch nicht viel Sinnvolles zu berichten, wie sich zeigt, aber das macht nichts. Der kleinste Krümel Information ist zu diesem Zeitpunkt wertvoll. Ich werde sie alle sammeln und mich davon ernähren, bis ich ihn wiedersehe, sie mir auf der Zunge zergehen lassen wie Samstagssüßigkeiten.
Im Geiste mache ich eine Liste:
1. Er kommt ziemlich häufig hierher, mindestens einmal pro Woche. (Das ist wie ein harter Drop, an dem man ewig lutschen kann, ohne dass er kleiner wird.)
2. Er ist mindestens dreiundzwanzig, vielleicht älter. Das weiß Siri, weil ihr großer Bruder auf der Schule im gleichen Jahrgang war wie Isak, und Siris großer Bruder ist dreiundzwanzig. (Schmeckt wie etwas, das man noch nie probiert hat, und keiner weiß, wie es in die Tüte gekommen ist. Am Anfang ist man vielleicht ein wenig skeptisch, man hat schließlich seine Lieblingssüßigkeiten, aber dann denkt man, was soll’s, ist doch spannend.)
3. Er liest viel. (Yummy.)
4. Er trinkt immer Kaffee, immer mit Milch, und er zieht Chocolate Cake Zimtschnecken vor. (Schmeckt sanft, wie Karamell.)
5. Das aschblonde Mädchen, das mit ihm hier war, scheint seine Freundin zu sein. (Schmeckt eigentlich nach nichts, wenn überhaupt nach Luft, man schluckt den Bissen runter und hat eine halbe Sekunde später vergessen, was man im Mund hatte.)
* * *
»Jetzt weiß ich etwas mehr!«, rufe ich, als ich abends den Flur von Omas Wohnung betrete. »Über meinen Zukünftigen, meine ich.«
Oma lacht glucksend.
»Und, ist er vielversprechend?«
»Mehr als das«, sage ich. »Er scheint mir nahezu perfekt zu sein.«
* * *
»Was heißt perfekt?«, sagt Fanny skeptisch. »Das ist er ja wohl kaum, wenn er eine Freundin hat?«
Ich sitze auf ihrem Bett und eigentlich störe ich, weil sie für eine scheißwichtige Prüfung morgen pauken muss. Seit dem Sprungbrettstreit habe ich sie nicht mehr gesehen.
»Meinst du das Aschenputtel?«, frage ich.
»Ich meine das Mädchen, von dem du erzählt hast, mit dem er zusammen Kaffeetrinken geht. Die aller Wahrscheinlichkeit nach seine Freundin ist.«
»Sag ich doch, Aschenputtel. Die zählt nicht.«
Fanny sieht mich fragend an.
»Warum zählt sie nicht?«
»Langweilig«, sage ich mit einem Schulterzucken. »Das wird er bald merken. Und sie auch. Es gibt keinen Grund mehr, mit ihr zusammen zu sein, wenn ihm aufgegangen ist, dass er eine wie mich haben kann.«
»Klar«, sagt Fanny und verdreht die Augen. »Daran hab ich nicht gedacht.«
Sie lacht, obwohl das mein voller Ernst ist.
Ich betrachte Aschenputtel nicht als ein Problem.
Isak ist ein dankbares Gesprächsthema für Fanny und mich. Er ist neutrales Terrain. Er hat nichts mit der Schule oder meiner Arbeit zu tun, ganz ungefährlich also. Noch ein Grund mehr, ihn zu heiraten.
Nachdem wir fast eine Stunde über mein zukünftiges Leben mit dem griechischen Gott geplaudert haben, fühlt es sich fast wie früher zwischen uns an. Ich fühle mich wohl auf Fannys Bett. Ich bin nicht mal genervt, als sie mir seufzend erzählt, wie viel im Moment in der Schule zu tun ist und wie krank es ist, dass die Prüfungen sich alle in einem kurzen Zeitraum häufen müssen. Ich sage: »Hm, das ist wirklich gemein«, und: »Himmel, das hört sich anstrengend an«, und meine es auch so. Und als ich etwas Lustiges erzähle, was Ellen im Café von sich gegeben hat, verzieht Fanny kein bisschen das Gesicht und sagt nur, dass Ellen
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