Alles was ich sage ist wahr
irgendwann aufgegessen ist, würde ich ihn jetzt auf der Stelle vernaschen.
Nach ungefähr einer halben Stunde steht Aschenputtel auf und geht zur Toilette. Ich tue das einzig Vernünftige in dieser Situation, schnappe mir einen Lappen, um die Tische abzuwischen. Ich fange drei Tische entfernt an und arbeite mich zügig auf mein Ziel zu. Am Tisch neben Isak stoße ich ganz »zufällig« die Blumenvase um und beuge mich blitzschnell über den Tisch, um sie auf mittelmäßig aufsehenerregende Weise zu retten. Ich schaue hoch und begegne genauso zufällig Isaks Blick. Und strahle so übers ganze Gesicht, dass er es nicht mal unter Androhung von Gewalt bleiben lassen könnte, mein Lächeln zu erwidern.
Oh, ich sollte Kurse in so was geben, fühle mich wie ein echter Profi!
»Gute Musik«, sagt Isak mit einem Blick auf die Lautsprecher, aus denen ganz zufällig gerade Taxi Cab von Vampire Weekend tönt.
»Ich weiß«, sage ich.
Da lächelt er wieder so toll, dass alle Linien um seinen Mund sichtbar werden, mit dem weltschönsten Funkeln in seinen fast schwarzen Augen.
»Du weißt aber ganz schön viel«, sagt er.
Ich nicke. »Fast alles.«
»Beeindruckend.«
Ja, denke ich. So bin ich.
Isak legt den Kopf schräg.
»Weißt du zum Beispiel auch, wie spät es ist?«, fragt er.
»Absolut«, antworte ich.
Er lacht. »Cool. Und verrätst du es mir auch?«
»Ja«, sage ich. »Kann ich machen.«
Ich drehe mich um und schaue auf die Wanduhr.
»Es ist … gleich halb sechs.«
Als ich das sage, merke ich, wie sich jemand an mir vorbeischiebt und wie eine graue Wand zwischen mich und Isak zwängt.
»Oje«, sagt Aschenputtel. »Dann müssen wir aber wirklich los. Darling, kannst du mir meine Jacke geben?«
Darling.
So was Affiges.
Welcher Mensch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte nennt seinen Freund Darling, wenn andere es hören? Wenn Aschenputtel sich nicht bald zusammenreißt, fängt sie noch an, mir leidzutun. Sie ist definitiv nicht das schärfste Messer in der Schublade.
Als sie ihre Sachen zusammengesammelt haben und auf dem Weg zur Tür sind, drehe ich die Musik etwas lauter. Als Zeichen. Es funktioniert. Isak sieht mich an, lächelt unauffällig und hebt hinter Aschenputtels Rücken die Hand zum Abschiedsgruß.
Das macht mich sehr, sehr zufrieden.
Er winkt. Mir. Zu.
Das wird ein leichtes Spiel.
* * *
Ich renne fast nach Hause, um Oma von Isak zu erzählen, wie seine Hand sich anfühlt, sein Winken zum Abschied und überhaupt, dieser Triumph. Und ich denke: Shit, sie wird schwer beeindruckt sein! Aber sie fällt mir schon ins Wort, ehe ich überhaupt loslegen kann.
»Deine Mutter hat angerufen«, sagt sie.
Abrupter Stimmungsabsturz.
»Sie findet, dass du ruhig mal einen Besuch zu Hause machen könntest. Auch wenn du bei mir wohnst.«
Ich verdrehe die Augen. Mama hat wirklich ein Talent, es wie eine Einladung zu einem ganz normalen, netten Familienhappening klingen zu lassen. Aber mal ehrlich, eigentlich will sie damit doch nur sagen, dass ich mich gefälligst mal wieder blicken lassen soll, damit sie ihre Fragen auf mich abfeuern und mich auf den Pott setzen kann.
»So schlimm kann das doch nicht sein, sie ab und zu mal zu besuchen!«, sagt Oma. »Bestimmt vermissen sie dich.«
»Das bezweifele ich«, sage ich trotzig. »Ich glaube eher, dass es sie granatenmäßig fuchst, nicht zu wissen, was ich mache. Sie suchen nach einer Gelegenheit für ein Kreuzverhör. Und zum Meckern.«
Oma schüttelt den Kopf und sieht mich streng an.
»Du darfst nicht so hart zu ihnen sein«, sagt sie. »Das sind deine Eltern und sie tun nur ihre Pflicht.«
»Genau! Das ist es ja, was so nervt. Warum jetzt auf einmal, wo du das übernommen hast? Du machst das ganz fantastisch!« Ich schleudere meine Tasche in die Ecke und ziehe die Schuhe aus. »Warum nehmen sie sich nicht einfach mal etwas zurück und lassen mich in Ruhe?«
Oma sagt nichts mehr, aber das ist auch nicht nötig. Ich weiß auch so, was sie denkt. Sie guckt einen mit einem Röntgenblick an, betreibt etwas Schweigefolter und bohrt sich einem sozusagen ins Hirn. Ich finde das ziemlich unheimlich.
Nach ein paar Minuten gebe ich auf.
»Okay, okay«, sage ich und strecke die Hände in die Luft. »Dann geh ich sie eben besuchen, wenn das so wichtig ist.«
»Gut«, sagt Oma und schaltet den Fernseher an. »Aber komm nicht zu spät nach Hause.«
Ich starre sie an.
»Was soll das heißen?«, sage ich. »Heute schon? Jetzt gleich?«
»Zwingen tut
Weitere Kostenlose Bücher