Alles was ich sage ist wahr
griechischen Gott, der also Isak heißt, der also hierherkommt, der also zu alt für mich ist. Er sieht höchstens aus wie zwanzig.
»Er ist mindestens fünfundzwanzig«, sagt Siri. »Eher noch älter. Dreißig, vielleicht.« Sie gibt sich redlich Mühe, mich von ihm abzubringen. Aber es funktioniert in diesem Fall sehr schlecht. Es ist schon lange zu spät.
»Tut mir leid, Babe«, sage ich bedauernd. »Du könntest mir auch sagen, dass er fünfundachtzig ist, und es würde nichts ändern.«
Hätte es auch nicht.
Ich muss ihn haben.
Solange der griechische Gott an dem Tisch sitzt und seinen Kaffee trinkt, stehe ich hinterm Tresen und strenge mich an, ihn nur in Maßen anzugaffen. Wenig erfolgreich. Obwohl ich ständig den Blick in eine andere Richtung drehe, gleitet er immer wieder zwangsmäßig zu ihm zurück, als wären meine Nackennerven falsch eingestellt.
Jedes Mal, wenn Siri vorbeikommt, schüttelt sie den Kopf und mimt »VERGISS ES«, ehe sie weitergeht, aber das kann ich nicht. Mein Gedächtnis funktioniert wunderbar.
ISAK.
Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, aber das ist ein sehr schöner Name. Passt auch super zu einem Gott, wie ich feststelle, als ich seinen Namen auf meinem Handy googele.
Ich nehme eine Serviette und schreibe ISAK darauf, als niemand es sieht. Ist ja auch grottenpeinlich, mal ehrlich. Dann schreibe ich ALICIA darunter und nehme die Serviette kritisch in Augenschein. Doch, eindeutig, man sieht’s schon an den Namen.
Wir sind das perfekte Paar.
* * *
In einer alten, ausgeleierten Erinnerung, die plötzlich aus dem Nichts heraufploppt, sitzt Fanny auf einem Stuhl an einer Längsseite der Turnhalle. Wir sind in der sechsten Klasse und haben Schuldisco. Bis auf ein paar Spotlights und eine Discokugel, die sich so dreht, dass Fanny lauter Glitzerpunkte im Gesicht hat, sind keine Lichter an.
»Er hat dir an den Po gefasst!«, sage ich empört. Fanny hat gerade mit Johan aus der 6b geschwoft und etwa nach der Hälfte des Liedes hat er ihr an den Po gefasst, ich hab’s genau gesehen.
»Ja, und?«, sagt Fanny mit roten Wangen unter den Glitzerpunkten.
»Warum hast du ihn das tun lassen?«
»Weiß nicht so genau«, sagt sie. »Er ist ganz süß.«
Ich schüttele den Kopf.
»Bist du in ihn verliebt?«, will ich wissen.
Fanny zuckt mit den Schultern.
»Er ist in Ordnung.«
»Aber gestern warst du noch in Anton verliebt«, sage ich und denke, dass das vielleicht gemein ist, sie daran zu erinnern, aber ich kann es mir nicht verkneifen. Ich verstehe wirklich nicht, was sie da macht.
»Ich bin auch immer noch in Anton verliebt«, faucht Fanny. »Aber er ist ja noch nicht mal hier.«
»Dann darf eben Johan dir an den Po fassen, oder was?«
Fanny zuckt mit den Schultern.
»Nerv nicht«, sagt sie.
Aber der Anblick von Johans Hand auf Fannys Po hat mich granatenmäßig gestört. Ich meine, wenn einem jemand an den Po fasst, dann ja wohl nur jemand, den man dessen für würdig erachtet, nicht irgendwer, der zufällig gerade mit seiner Hand zur Stelle ist. Oder etwa nicht?
»Man kann doch nicht die ganze Zeit immer nur auf den Richtigen warten«, sagt Fanny trotzig.
Darauf sage ich nichts, aber ich denke: Warum nicht?
* * *
»Ich bin heute meinem Zukünftigen begegnet«, erzähle ich Oma, als ich abends nach Hause komme.
Sie legt die Zeitung auf den Schoß.
»Ach ja?«, sagt sie überrascht.
»Jepp«, sage ich. »Er heißt Isak.«
Oma nickt nachdenklich.
»Isak«, sagt sie. »Ein schöner Name.«
»Genau das hab ich auch gedacht«, sage ich.
»Wo hast du ihn kennengelernt?«
»Bei der Arbeit. Er nimmt Milch in den Kaffee. Genau wie du.«
Oma lacht.
»Ist das alles, was du über ihn weißt? Dass er Isak heißt und Milch im Kaffee trinkt?«
»Jepp«, sage ich noch einmal. »Aber mach dir keine Sorgen. Siri sagt, dass er regelmäßig ins Café kommt, es wird also sicher noch mehr Gelegenheiten geben, ihn besser kennenzulernen.«
»Klingt gut«, sagt Oma. »Es ist nicht das Schlechteste, vor der Hochzeit noch etwas mehr über ihn zu erfahren, wenn du mich fragst.«
* * *
An diesem Abend kann ich nicht einschlafen. Sobald ich die Augen zumache, sehe ich seine schwarzen Locken und den Islandpullover auf meiner Netzhaut. Isak. Ich bin so glücklich, dass es ihn leibhaftig gibt! Plötzlich passt alles. Schlagartig verstehe ich, wieso es mir immer so sinnlos vorkam, wie die anderen Mädels diesen ganzen flaumigen Pickelcowboys hinterherzuschmachten. Ein Blick
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