Alles was ich sage ist wahr
nett zu sein scheint, und lacht genau an der richtigen Stelle. Da merke ich, wie sehr ich Fanny eigentlich die letzten Tage vermisst habe. Und das sage ich ihr auch.
»Wir dürfen uns nicht aus den Augen verlieren«, sage ich. »Bloß, weil wir nicht mehr in die gleiche Klasse gehen. Versprich mir das!«
Und als Fanny mir ihr Ehrenwort gibt, fühlt sich das wahr an, und ich hoffe, hoffe, hoffe, dass es auch so ist.
* * *
»Oma, hast du vielleicht Fingerhandschuhe, die du mir leihen kannst?«
Ich stehe auf einem Hocker und wühle ihre Sachen auf der Hutablage durch. Noch vor gar nicht langer Zeit hätte man vierundzwanzig Stunden nackt rumlaufen können, aber jetzt habe ich plötzlich so kalte Flossen, dass ich kaum das Fahrradschloss aufkriege. Und alle meine dicken Pullover und Handschuhe und so weiter liegen natürlich zu Hause bei Mama und Papa, und ich habe keine Lust, dorthin zu fahren, um sie zu holen.
»Fingerhandschuhe?«
»Oder so was in der Art.«
Oma findet ein Paar Lederhandschuhe, die mir eigentlich viel zu klein sind, aber ich nehme sie trotzdem und renne die Treppe runter, immer zwei Stufen auf einmal. Als ich den Fahrradsattel abgewischt habe, höre ich Oma oben vom Küchenfenster herunterrufen:
»Willst du nicht auch eine Mütze?« Sie hält ein Lammfellteil in die Luft, das aussieht, als hätte Ronja Räubertochter es schon getragen.
»Wir wollen ja nicht übertreiben«, sage ich. »Die Handschuhe reichen fürs Erste.«
* * *
Wir legen Liedlisten auf Spotify an, die wir im Café abspielen wollen, nach der Regel, dass jede von uns im Wechsel jeden vierten Song bestimmt. Und obwohl zu den Regeln gehört, dass man sich nicht über die Auswahl der anderen beschweren darf, tun wir das natürlich trotzdem.
»Siri, bitte! Nicht schon wieder Hello Saferide! Hat deine Fantasie einen Sprung?«
»Klappe. Ich mag sie.«
»Fine«, sagt Ellen. »Aber musst du sie unbedingt elfmal nacheinander mögen?«
»Jepp.«
Ellen fühlt sich verpflichtet, Siris Wahl auszugleichen, und wählt irgendwelche hektischen Electrosounds, von denen keine von uns je gehört hat. Sofia wählt alles Mögliche zum Thema Langeweile, wobei sie ihre Wahl für die eindeutig beste hält, jedenfalls wippt sie zu jedem ihrer Songs total uncool mit dem Kopf.
Ich wähle nur Stücke, von denen ich glaube, dass sie Isak beeindrucken könnten. Ich stelle mir vor, wie er bei dem Intro eines meiner Songs plötzlich innehält und von seiner Kaffeetasse aufschaut, verwirrt, sein Blick sucht nach der Musik, und da, hinter dem Tresen, neben den Lautsprechern, stehe ich und summe mit (natürlich nicht wie Sofia, sondern richtig cool) und er fällt mir, DONK!, vor die Füße wie eine gefällte Fichte.
Ein perfekter Plan, wenn ihr mich fragt.
Dumm nur, dass ich nicht den geringsten Schimmer habe, was für Musik er mag.
»Siri?«, sage ich. »Was für Musik mag Isak?«
Dazu kann sie auch nichts sagen. Ich denke nach.
»Bist du auf Facebook mit ihm befreundet?«
Siri schüttelt den Kopf.
»Könntest du das nicht arrangieren?«, frage ich und hüpfe beinahe auf der Stelle, als ich das sage, weil ich gar nicht verstehe, wieso ich nicht schon eher auf diese fantastische Idee gekommen bin. »Weiß er, wer du bist, wenn du ihm eine Freundschaftsanfrage schickst?«
Siri meint, dass er sie wahrscheinlich schon kennt, und ich dränge sie, sich direkt bei Facebook einzuloggen, und starre ihr ungeduldig über die Schulter, als sie ihre Freundschaftsanfrage an ihn schickt.
»Und wozu soll das jetzt gut sein?«, fragt sie.
»Sein Spotify-Profil«, murmele ich. »Du kannst sein Spotify-Profil sehen, sobald ihr auf Facebook befreundet seid. Natürlich nur, wenn er eins reingestellt hat.«
Siri kapiert nicht, was ich damit will, aber Hauptsache, ich weiß es.
* * *
Am nächsten Tag, als Siri zur Arbeit kommt, nickt sie mir zu, ehe ich überhaupt die Frage stellen konnte. Er hat ihre Anfrage bestätigt. Sie sind jetzt Freunde. Und ja, er hat ein Spotify-Profil.
In der Mittagspause gucke ich mir an, was für Musik er vorrangig hört, und füge sie in die Café-Musikliste ein. Dann schreibe ich die Namen aller Künstler und Stücke auf und deponiere den Zettel in meiner Tasche, damit ich sie auswendig lernen kann, wenn ich Zeit habe. Also, ehrlich. Ist euch klar, wie Hals über Kopf Isak sich in mich verlieben wird, wenn ich erst alle seine Lieblingslieder spiele und dann auch noch so laut intelligente Kommentare zu den Künstlern abgebe, dass er
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