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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Bjaerbo
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und in meiner dünnen Strumpfhose frier ich mir einen Ast ab. Mein Rad schlingert durch Herbstlaub und Regenpfützen, und ich trete in die Pedale, bis ich meinen eigenen Puls in den Ohren pochen höre. Ich sehne mich ins Warme. Ich sehne mich nach Oma. Aber vor allen Dingen sehne ich mich danach, Oma von meinen Isak’schen Fortschritten zu erzählen. Ich kann es kaum erwarten, ihr Gesicht zu sehen.
    * * *
    »Oma?«
    Ich ziehe die Schuhe aus und gehe ins Wohnzimmer. Der Fernseher läuft, aber das Licht ist aus und kein Mensch zu sehen. Das Jubelgefühl bleibt mir irgendwo im Hals stecken. Wo ist die alte Dame abgeblieben?
    »Oma?«
    Ich gehe in die Küche. Nichts, da ist sie auch nicht und das macht mich unruhig. Entweder sitzt sie in ihrem Sessel vorm Fernseher oder sie ist in der Küche.
    »Oma!«
    Ich werfe einen Blick in ihr Schlafzimmer, aber das Bett ist gemacht und es ist dunkel, und auch als ich das Licht anmache, ist da niemand. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie heute irgendwohin wollte. Rentnertreffen, Nähkränzchen, Fahrstunde oder was alte Leute in ihrer Freizeit so tun? Nein, dann hätte sie gestern ihre Haare frisiert. Und Kleider an den Schrank gehängt. Sich irgendwie vorbereitet. Das hätte ich auf alle Fälle gemerkt. Wo zum Teufel ist sie?
    »OMA!«
    * * *
    Ich finde sie auf dem Badezimmerboden.
    Splitternackt bis auf eine Badehaube mit Blümchenmuster liegt ihr kleiner, zerbrechlicher Vogelkörper vor dem Duschvorhang auf den Fliesen. Was für ein einsamer, kalter Anblick, denke ich.
    Dann kommt von irgendwoher ein Schrei.
    Ich nehme an, von mir.
    Keine Worte, nur ein verzweifelter Schrei. Ich werfe mich auf den Boden neben sie und kriege nasse Knie von dem Duschwasser, und ich weiß nicht, was ich tun soll, ob ich sie schütteln oder einfach liegen lassen soll, darum schreie ich erst einmal nur.
    Ich bin sicher, dass sie tot ist.
    Meine Oma.
    Tot.
    Ich sitze mit nasser Hose auf dem Boden vor der Dusche und traue mich nicht, meine tote Oma anzufassen, und ich schreie, weil mir ums Verrecken nichts Besseres einfällt in dieser Situation.
    Da bewegt sie plötzlich den Kopf und sieht mich mit den schleierigsten Augen an, die ich je gesehen habe.
    »Alicia«, flüstert sie.
    Und in dem Moment ändert der Schrei seinen Charakter, von verzweifelt über verdutzt zu erleichtert, ihre Stimme zu hören. Ja. Ich bin so schrecklich erleichtert, ihre Stimme zu hören, dass ich noch ein bisschen weiterschreie. Ich schreie und beuge mich vor und küsse sie mitten auf den Mund und dann schaue ich noch einmal nach, ja, doch, verdammt, sie lebt, sie lebt, sie lebt wirklich!
    Als ich das festgestellt habe, höre ich endlich auf zu schreien.
    »Oma!«, sage ich. Und fange an zu weinen. »Was machst du … Was ist … Wie lange liegst du schon hier?«
    »Ich bin ausgerutscht«, wimmert sie. »Mein Bein … das … ich kann nicht aufstehen.«
    Ich ziehe den Duschvorhang beiseite, um einen Blick auf ihr Bein zu werfen, und fange um ein Haar wieder an zu schreien. Das Bein liegt definitiv in keinem normalen Winkel da. Es tut mir schon weh, es nur zu sehen.
    »Dein Bein ist gebrochen«, schluchze ich. »Wir müssen den Notarzt rufen.«
    »Nein!«, sagt sie klar und deutlich und greift mit ihrer kleinen Vogelhand um meinen Arm. »Kein Notarzt!«
    »Aber Oma …«
    »Nein!« Der Schluchzer aus ihrem Hals lässt ihren ganzen mageren Körper auf dem nassen Boden erzittern.
    »Ich bin so nackt«, flüstert sie, so leise, dass ich es kaum höre.
    Ich streichele über ihre kalte Haut und versuche, mich zu beruhigen, klar zu denken, zu funktionieren. Einer von uns muss doch funktionieren! Ich streichele ihren Arm, rauf und runter. Wie weich ihre Haut ist, denke ich, und alt! Sie ist mir noch nie so alt vorgekommen wie in diesem Moment, so zerfurcht und ohnmächtig und hilflos.
    »Oma«, sage ich nach einer Weile und hole tief Luft. »Ich stehe jetzt auf und rufe einen Krankenwagen. Danach komme ich wieder zu dir und helfe dir, dich anzuziehen. Ich verspreche dir, dass du nicht mehr nackt bist, wenn der Krankenwagen kommt. Das verspreche ich dir. Hörst du mich?«
    Sie sagt nichts, aber ihr Griff um meinen Arm lockert sich, sodass ich aufstehen kann. Ich nehme ein Handtuch und decke sie notdürftig damit zu. Scheiße, wie sie frieren muss! Ihre Lippen sind ganz blau. Dann torkele ich aus dem Badezimmer ins Schlafzimmer und zum Telefon, wo ich die 112 wähle. Wie im Film, denke ich.
    Als ich zurück ins Badezimmer komme, hat

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