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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Bjaerbo
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völlig verkrampft, weil ich mich die ganze Nacht hin und her gewälzt und an Oma gedacht habe. So geht das ununterbrochen, ich wälze mich hin und her und grübele, ohne nennenswerte Durchbrüche. Ich glaube irgendwie immer noch, dass Oma jeden Moment aus dem Nichts auftaucht und ruft: »Hallo, Alicia! Da bin ich! Hab euch nur an der Nase rumgeführt!« Na ja, was heißt hier glauben. Ich hoffe es. Bin ja nicht gaga. Noch nicht.
    Das Hinundher-Wälzen und Nichtschlafen ist auf alle Fälle nicht gut für meine geistige Verfassung, wie sich zeigt. Ich bin wie abgeschaltet. Als würden meine Körperteile nicht richtig zusammenhängen. Bloß, weil die eine Hand zufällig an dem einen Arm hängt wie gewohnt, heißt das noch lange nicht, dass es auf der anderen Seite genauso aussieht. Ich muss in den Spiegel gucken, um sicher zu sein.
    Und dann die Sache mit den Gefühlen. Ich scheine nach wie vor keine zu haben. Langsam mach ich mir ernsthaft Sorgen. Warum sitze ich nicht am Küchentisch und heule, dass meine Schultern zittern? Wie lange geht das noch so weiter? HALLO, GOTT, BIN ICH NORMAL?
    Interessieren täte es mich schon.
    * * *
    Fanny hat irgendwann mal zu mir gesagt, ich wäre unnormal. Das war in der Sechsten oder so. Ich kann mich nicht mehr erinnern, worum es eigentlich ging, aber an ihren Tonfall erinnere ich mich sehr gut.
    »Du bist echt der unnormalste Mensch, den ich kenne.«
    Total bewundernd.
    Ähm, danke?
    * * *
    Um vier Uhr öffnet sich die Tür zum Café und Isak kommt herein. Ich registriere das im Augenwinkel, gieße mir ein Glas Wasser ein und denke ganz ruhig: Ah ja, ja. Das hätte ich mir denken können. Das könnte, wie soll ich es sagen, ziemlich interessant werden.
    Ein bisschen Isak ist genau, was mein rumeierndes Gemüt braucht.
    Isak trägt: Jeans mit Riss überm Knie und einen blau-weiß gestreiften Pullover.
    Isak ist: atemberaubend hübsch.
    Isak kommt an den Tresen, nimmt sich eine Kaffeetasse und sieht mich an.
    »Hallo«, sagt er und lächelt.
    »Hallo, du«, sage ich. »Wie geht’s?«
    Er zuckt mit den Schultern.
    »Ziemlich beschissen, eigentlich«, sagt er. »Und selbst?«
    »Komplett miserabel, wirklich.«
    »Oje.« Er bekommt eine besorgte Falte zwischen den Augenbrauen. »Schade.«
    Da hat er recht.
    »Magst du vielleicht einen Trostkuchen?«, frage ich und halte ihm einen Teller mit braunen, länglichen Keksen mit Perlzucker hin. »Das hilft. Jedenfalls ein bisschen. Ich habe schon drei gegessen.«
    Mehr können wir nicht sagen, weil Sofia ungefähr in dem Augenblick den Kopf aus der Küchentür steckt, als Isak sich einen Keks nimmt. Sie wartet nicht, bis er bezahlt hat und sich einen Platz sucht, sondern reißt gleich ihren großen Schnabel auf.
    »Alicia«, sagt sie. »Kannst du mal kurz kommen? Wir müssen mit dir reden.«
    Ich sehe sie fragend an. Wir? Wer wir? Das letzte Mal, als ich in der Küche war, war sie allein dort mit dem Abwasch und ihren Salaten. Siri und Ellen haben frei. Und der einzige andere Mensch auf unserer Seite des Tresens ist Torsten, aber den kann sie doch nicht meinen, oder? Keine von uns ist so eng mit Torsten, dass sie sich in einen Wir-Zusammenhang mit ihm setzen würde. Hoffe ich doch.
    Ich wedele abwehrend mit der Hand in ihre Richtung. Das bedeutet: Klar, ich komme, aber vielleicht nicht gerade jetzt, oder? Ich habe hier einen Gast, um den ich mich kümmern muss, wie du vielleicht siehst?
    »Jetzt gleich, wenn’s geht«, sagt Sofia.
    Isak zieht fragend die Augenbrauen hoch. Kein Wunder, dass er sich wundert. Ich wundere mich ja auch.
    »Na dann«, sage ich mit einem Seufzer. »Da gehorche ich wohl mal besser.«
    »Ja«, sagt er. »Das solltest du wohl.«
    * * *
    Sofia wartet genau hinter der Schwingtür auf mich, als wollte sie sichergehen, dass ich mich nicht anderweitig verdrücke. Als ob es so viele Möglichkeiten zum Verdrücken gäbe. Höchstens das Klo. Oder die Besenkammer.
    »Torsten ist oben«, sagt sie. »Er erwartet dich. Ich wäre gern dabei, aber jemand muss ja bei der Kasse bleiben.«
    Ich glotze sie verdutzt an.
    »Kannst du mir mal sagen, worum es geht?«
    Sofia zieht die Augenbrauen hoch.
    »Das solltest du eigentlich wissen.«
    Ähm, nein, weiß ich nicht. Ich habe keinen Schimmer. Erwartet mich eine Standpauke, weil ich heute Morgen zu spät gekommen bin? Eine Abmahnung fürs Freinehmen, weil meine Großmutter gestorben ist? Oder eine Gehaltserhöhung, weil sie endlich gemerkt haben, was für ein Genie und Zugewinn ich für

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