Alles was ich sage ist wahr
das Café bin? Ich habe nicht die geringste Idee. Alle Alternativen klingen in meinen Ohren ungefähr gleich abwegig.
»Jetzt geh schon«, sagt Sofia ungeduldig. »Dann weißt du’s.«
Ich schleppe mich die Treppe hoch. Da oben ist ein Raum, in dem man sich umziehen kann, falls man wider Erwarten nicht in seinen eigenen Klamotten, sondern in dem hässlichen T-Shirt mit dem Café-Logo auf dem Rücken arbeiten will. Aber das will man nicht. Dort steht auch ein Wäschekorb, in den man seine dreckige Schürze und die gebrauchten Geschirrtücher wirft, wenn man nach Hause geht. Dahinter gibt es noch einen größeren Raum, eine Art Lagerraum, in dem 1. totales Chaos und 2. totale Dunkelheit herrscht. In einer Ecke dieses Raumes sitzt Torsten hinter einen Schreibtisch geklemmt, der viel zu klein für ihn ist. Sein Bauch ist im Weg, und er muss sich vorbeugen, um sehen zu können, was auf den Blättern steht, die vor ihm liegen. Das sieht extrem unbequem aus.
Ich räuspere mich.
»Ach«, sagt er. »Da bist du ja.«
Er dreht den Schreibtischstuhl eine halbe Drehung in meine Richtung und zeigt mit seinem fleischigen Finger auf einen Hocker, der mitten in einem Haufen Gerümpel steht.
»Hol ihn rüber und setz dich.«
Ich schüttele den Kopf.
»Nicht nötig, ich stehe lieber.«
»Na gut, dann stehst du halt.«
Er fummelt an dem Stift, den er in der Hand hält, um Zeit zu schinden. Offenbar findet er das Ganze unangenehmer als ich. Was er mir wohl zu sagen hat?
»Also«, sagt er schließlich. »Sofia hat gesagt, du wärst heute Morgen zu spät dran gewesen.«
Er knipst ein paar Mal mit dem Kugelschreiber.
Ich kann mich grade noch beherrschen, nicht zu lachen. Das ist doch völlig absurd. Da komme ich ausnahmsweise mal zwanzig Minuten zu spät und werde gleich zum Chef vorgeladen? Krank, aber echt.
»Ja«, sage ich und hole tief Luft. »Vielleicht eine Viertelstunde.«
»Hm.«
»Ich habe verschlafen.«
»Okay.«
»Hatte mein Handy aus Versehen auf lautlos gestellt.«
»Hm.«
»Ist das wirklich so schlimm?«
Torsten räuspert sich.
»Ach was«, sagt er. »Ist es nicht. Aber da sind offenbar auch noch ein paar andere Dinge.«
Andere Dinge? Interessant.
»Die da wären?«
»Die Toiletten, zum Beispiel«, sagt Torsten. »Als Sofia heute Morgen kam, waren sie nicht so sauber, wie sie sein sollten. Und du warst gestern nach dem Schließen ja wohl damit an der Reihe? Und ich habe gehört, du hättest vor Kunden an der Kasse telefoniert. Das mag ich gar nicht. Das macht keinen guten Eindruck. Aber vor allen Dingen ist es wegen der Kasse.«
Ich sehe ihn skeptisch an. Wovon redet er? Die Toiletten nehme ich ja noch auf meine Kappe und das mit dem Telefon könnte stimmen. Aber was ist mit der Kasse? Was hab ich da gemacht?«
»Was ist mit der Kasse?«
»Ähm.« Endlich sieht Torsten von dem Stift auf. »Sofia behauptet, heute Morgen hätte ein Fünfhundertkronenschein in der Wechselkasse gefehlt. Weißt du etwas darüber?«
Ich lege die Stirn in Falten und versuche zu begreifen, was er da sagt. Wiederhole es im Stillen sicherheitshalber noch mal. Wechselkasse. Fünfhundert Kronen. Fehlen. Weiß ich was darüber?
»Nein«, sage ich. »Darüber weiß ich nichts.«
Torsten fängt wieder an, mit dem Kugelschreiber zu knipsen.
»Aber du hast abgerechnet, bevor du gestern gegangen bist?«
Ich nicke.
Das habe ich.
»Und da stimmte sie?«
Erneutes Nicken.
Natürlich hat die Kasse gestimmt.
»Und dann löst sich ein Fünfhunderter einfach in Luft auf? Über Nacht? Wenn alles abgeschlossen ist?«
Torsten seufzt und breitet die Arme aus.
Ich ziehe die Schultern hoch.
»Was weiß ich!«, sage ich trotzig.
»Bist du sicher?«
Ob ich sicher bin? Was ist das für eine idiotische Frage? Wenn ich sage, ich weiß nicht, wo das Geld abgeblieben ist, dann ja wohl, weil ich nicht weiß, wo das Geld abgeblieben ist. Wie schwer ist das zu verstehen?
»Als ich gegangen bin, stimmte die Kasse«, sage ich. Ich spreche langsam und extrem deutlich, damit die Botschaft auch wirklich bei ihm ankommt.
Es hilft nichts. Torsten seufzt erneut und malträtiert weiter den Kugelschreiber, als würde alles, was ich sage, ungehört in der Luft verpuffen.
»Du verstehst schon, dass es nicht gut für dich aussieht«, sagt Torsten bedrückt. »Ich mag dich, das ist es nicht. Ich mag dich wirklich. Aber ich kann keine nachlässigen Angestellten gebrauchen. Schon gar nicht, wenn es ums Geld geht.«
Ich beiße die Zähne aufeinander, um
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