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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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vergessen, über eine blinde Sau, herzzerreißend. Er wollte nur ein oder zwei Geschichten im Harper’s veröffentlichen. Im Grunde nicht zu viel verlangt, andere haben das auch geschafft, andere Autoren, die sie aus dem einen oder anderen Grund dann vorgezogen haben.«
    Auf der Straße gaben sie sich die Hand. Es war nach zwei und ein wunderschöner Nachmittag. Das Licht schien außergewöhnlich klar. Er ging die Madison Avenue hinauf. Es gab kein vergleichbares Viertel – in den Seitenstraßen die Galerien mit ihren fragmentartigen Skulpturen, die bourgeoisen Apartmenthäuser an den Ecken, fast schon wie Monumente, gar nicht mal so hoch, vielleicht sieben oder acht Geschosse mit breiten Fensterfronten. Der Verkehr war nicht sehr dicht, der Park lag nur einen Block entfernt. Auf dem Bürgersteig vor einem kleinen Restaurant standen ein paar Tische, die nicht mehr besetzt waren. Frauen gingen einkaufen. Ein alter Mann führte seinen Hund spazieren.
    Etwas weiter die Straße hinunter war ein Buchladen, den er sehr mochte. Der Besitzer war ein schmächtiger Mann, vielleicht Mitte fünfzig, der stets einen Anzug trug und, wie man sagte, aus einer wohlhabenden Familie stammte, er war der verlorene Sohn. Schon als Kind hatte er Bücher geliebt und wollte Schriftsteller werden, in jungen Jahren übertrug er mit der Hand etliche Seiten aus Flaubert und Dickens. Er wollte nach Paris, sah sich schon allein in einem lichtdurchfluteten Zimmer, in dem er schreiben würde, und war schließlich auch nach Paris gegangen, dort aber nur einsam gewesen, unfähig, etwas zu Papier zu bringen.
    Den Buchladen hatte er nach seiner Vorstellung gestaltet. Es gab zwar nur eine kleine Fensterauslage, und der vordere Teil war recht eng, eingezwängt neben dem Treppenaufgang der darüberliegenden Apartments, aber nach hinten öffnete sich der Raum zu einer angenehmen Größe, an den Wänden standen bis unter die Decke Regale voller Bücher, von denen Edward Heiman ein jedes ohne Zögern herausziehen konnte, als hätte er es eben erst dort hingestellt. Seinen Empfehlungen konnte man trauen. Seine Kunden waren ihm größtenteils bekannt, wenn nicht vom Sehen, dann vom Namen, obwohl auch andere Leute in den Laden kamen und dort stöberten. Er war ein oder zwei Blocks entfernt auf der Park Avenue groß geworden, wo er noch immer wohnte, und nur zur großen Enttäuschung seiner Familie war er Buchhändler geworden. Bestseller standen vorne auf einer Sonderauslage griffbereit neben weniger bekannten Büchern.
    Er regelte viele Geschäfte über das Telefon. Kunden riefen an und bestellten Bücher, von denen sie gehört hatten und die noch am gleichen Tag zu ihnen nach Hause geliefert wurden, manchmal mit ein, zwei anderen Titeln seiner Wahl, die man wieder zurückgeben konnte. Seine Vorstellung einer guten Lektüre war nicht ohne Gütesiegel, wertvolle Bücher, die den Kritikern entgangen waren – außer den feinsinnigsten vielleicht – und beim Aufschlagen eine verführerische Kraft durch ihr Wissen oder Intellekt oder Stil verströmten. Vor allem Frauen schätzten seinen Rat, sie fanden ihn einfühlsam, auch wenn er durch seine Art fast schüchtern wirkte. Er hatte ein Faible für Frauen, die Männerkleidung trugen, wie er Bowman gegenüber einmal bemerkt hatte – besonders japanische Frauen. Er mochte Schriftstellerinnen, selbst solche, deren Name sich auf zweitklassige Bücher oder auch politische Werke stützte. Männer hatten über Jahrhunderte alle Vorzüge genossen, und jetzt waren seiner Meinung nach die Frauen an der Reihe. Die Ausschweifungen seien nur natürlich.
    »Clarissa« , sagte er mit seiner ruhigen Stimme. »Für mich ein wirklich erschreckendes Buch. Es verdient eine Reaktion. Wir verkaufen natürlich nicht viele Exemplare von Clarissa , aber das will nichts heißen. Whitman hat mehr Exemplare seiner Grashalme verschenkt als verkauft. Was ich auch mit ein paar Büchern hier machen könnte. John Marquand oder Louis Bromfield laufen auch nicht gut, aber das ist eine andere Sache.«
    Er war verheiratet, seine Frau schaute allerdings nie vorbei. Jemand beschrieb sie als sehr attraktiv. Nicht im physischen Sinne. Es sei ihre ganze Person.
    Eine Frau also, die so einmalig war wie ihr Mann, mit einem ähnlichen Geschmack oder auch ihrem eigenen. Er lebte in der Welt der Bücher. Sie war weniger an Büchern interessiert als an Kleidern und engen Freundschaften. Es gab einfach zu viele Bücher – ab und zu konnte man vielleicht eins

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