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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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lesen … Edward Heiman war vielleicht wie Liebling oder wie Lampedusa in seinem ureigenen Sizilien. Ihre Frauen waren irgendwo anders.
    Bowman spazierte weiter die Avenue entlang. Es war ein Teil der Stadt, den er sehr mochte, ein angenehmer, wohlhabender Teil, wo sich Exzentrizität bezahlt machte. Das weiße Backsteingebäude, in dem früher der alte Schriftsteller Swangren gelebt hatte, war nur ein paar Blocks entfernt, und Gavril Aronskys chaotisches Apartment lag auch in der Nähe. Der Retter war ein viel beachtetes Buch geworden, mit mindestens einer halben Million verkaufter Exemplare. Baum hatte nie ein Wort des Bedauerns geäußert, es nicht veröffentlicht zu haben. Aronsky hatte noch vier oder fünf weitere Bücher geschrieben, aber sein Ansehen war nach und nach geschwunden, und auch er war immer dünner geworden, bis er aussah wie ein verhungerter Vogel. Als jemand den Retter erwähnte, hatte Baum nur bemerkt:
    »Ja, ich kenne das Buch.«
    Im Clarke’s überkam ihn ein leises Gefühl von Nostalgie. Die Bar war um diese Zeit am Nachmittag fast leer. Die Menschen waren zurück in ihren Büros. Es gab ein paar Trinker vorne am Fenster, wo einen das Sonnenlicht blendete und man sie nicht richtig sehen konnte. Er erinnerte sich an Vivian und ihre Freundin Louise. Auch an George Amussen und seine anhaltende Missbilligung. Seine zwei Töchter hatten seine Liebe für Pferde geteilt und beide den falschen Mann geheiratet. Was Vivian betraf, sie war – auch wenn Bowman es zu der Zeit nicht wirklich verstanden hatte – so unauslöschlich Teil des Ganzen, des Trinkens, der großen Häuser, der Autos mit matschverkrusteten Stiefeln und Beuteln mit Hundefutter im Kofferraum, der Selbstgefälligkeit und des ganzen Geldes. Ihm war das alles so unwesentlich vorgekommen, fast ein wenig amüsant.
    Er bestellte ein Bier. Es war, als triebe er durch die Zeit. Er konnte sich im schattig silbrigen Spiegel hinter der Theke sehen wie schon einmal Jahre zuvor, als er neu in die Stadt gekommen war, jung und ehrgeizig, mit dem Traum, seinen Platz darin zu finden und alles, was dazugehörte. Er betrachtete sich im Spiegel. Die Hälfte des Wegs lag hinter ihm oder auch etwas mehr, je nachdem, ab wann man zählte. Sein wirkliches Leben hatte mit achtzehn begonnen, das Leben, auf dessen Gipfel er jetzt stand.

22. Sapore di Mare
    Christine kam nur noch selten in die Stadt, aber sie und Bowman waren wie ein verheiratetes Paar, das sich am Wochenende sah. Ihr Leben fand im Grunde auf dem Land statt, und ihr schien es zu gefallen. Sie sah Freunde, viele davon seine, es war angenehm mit ihr zusammen zu sein. Sie hatte bei dem Hauskauf fast viertausend Dollar an Provision verdient. Sie bot an, ihm bei den Raten zu helfen, indem sie die Zahlungen eine Weile übernahm, schließlich wohnte sie in dem Haus.
    Irgendwann um Thanksgiving sah sie sich in Wainscott ein Haus an, es befand sich noch im Bau, und traf dort auf den Bauunternehmer, der gerade ein paar Bodendielen zuschnitt. Er drehte sich um und stellte die Säge ab. Er fragte, ob er ihr das Haus zeigen solle. Er baute es, um es zu verkaufen. Wenn alles gutging, würde er danach wohl noch eins bauen oder ein neues entwerfen. Er musste abwarten, wie es lief. Sie gingen herum. Sie trug hohe Schuhe und musste auf der Treppe achtgeben, die noch nicht ganz fertig war. Häuser sähen immer wunderbar aus, bevor die Wände eingezogen waren, sagte er. Er hatte eine ruhige, einnehmende Art und fragte, ob sie sich zum Lunch treffen wollten, um die Einzelheiten für den Verkauf zu besprechen. Es war beiläufig – mehr sagte er eigentlich nicht.
    Sein Name war Ken Rochet. Sie trafen sich mittags in einem Restaurant gegenüber des Hafens, wo es ein wenig laut war, sie sich aber dennoch unterhalten konnten. Er kam gerade vom Bauplatz. Er hatte sogar noch Sägespäne an den Händen. Er trug ein blaues Polohemd. Er schien in der Welt zu Hause. Er arbeitete, las, kochte, hin und wieder lebte er mit der einen oder anderen Frau, auch wenn sie nichts von diesen Dingen wusste. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen wie damals zu ihrem Mann, unaufhaltsam, ohne Willen. Etwas in ihr zog sie zu diesen Männern. Sie konnte es nicht erklären. Es war sein blaues, vom unzähligen Waschen verblichenes Hemd, das sie verführte. Er wusste mehr von Immobilien, als sie erwartet hatte, aber sie konnte ihn trotzdem beraten. Er beobachtete sie, als sie zur Toilette ging und wiederkam. Sie trug ein gemustertes Kleid. Sie war

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